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Brennerbahn Bahnhof Bozen

Brennerbahn Bahnhof Bozen - Baubestand, Bauzustand und Nutzung
Wiederaufbau und heutiger Baubestand:
Auf den Hochmut der italienischen Faschisten und das Bündnis des „Duce“ mit dem deutschen „Führer“ folgten die Zerstörungen durch die alliierten Bombardements: 472 Fliegerangriffe trafen die Brennerstecke. Sie wurde damit die am meisten bombardierte Eisenbahnstrecke des Zweiten Weltkriegs. Dabei wurden der Mittelbau des Bahnhofes Bozen stark beschädigt und Teile des Südflügels völlig zerstört. Die Bahnhofsdächer, das Waren- und Zolllager sowie das Postamt wurden beschädigt. Der halbkreisförmige Dampflokschuppen wurde ganz zerstört. Stark beschädigt wurden auch die tragenden Elemente der Brücke über den Eisack.

Sofort nach dem Krieg begann der Wiederaufbau. Bereits Anfang 1946 waren die Warenlager und andere Teile des Bahnhofs erneuert, das Postgebäude wurde wieder aufgebaut, die Brücke über den Eisack in Stahlbeton erneuert. Die Züge wechselten unmittelbar nach dem Krieg die Lokomotiven zwischen Süd und Nord und für die Linie nach Kaltern musste eine eigene Schienenstrecke angelegt werden. In den fünfziger Jahren wurde die Innenausstattung des Hauptgebäudes mit den Wartesälen (noch in drei Klassen!) erneuert.

1940 benutzten 400 000 Reisende den Bahnhof Bozen – 1950 waren es bereits 700 000 bei nunmehr fast 100 000 Einwohnern. Der Güterverkehr verdoppelte sich im gleichen Zeitraum auf 30 000 Tonnen. Der erste Abschnitt der Bahnlinie nach Meran wurde verlegt.

In den sechziger Jahren verlagerte sich der öffentliche Verkehr mehr und mehr auf private Transportmittel. Deshalb wurde die Bahnlinie Bozen-Kaltern eingestellt. Nach einem schweren Unfall 1964 wurde die Rittner Zahnradbahn durch eine Seilbahn ersetzt. Schließlich wurde auch der Betrieb der Straßenbahnen in Bozen eingestellt.

Geblieben ist das Bahnhofsgebäude mit seinem Mitteltrakt als Aufnahmsgebäude, dem Südtrakt mit Verwaltung und Bauabteilung der FS und der markante Turm mit dem Restaurant im Nordflügel – alles zusammengefügt durch das Vordach – einer Stahlkonstruktion über dem Bahnsteig direkt am Bahnhofsgebäude. Die Unterführung führt zum überdeckten Mittelbahnsteig mit Kiosken zwischen den Ferngeleisen. Ein neueres dreigeschossiges Betriebsgebäude aus den 80er Jahren, ebenfalls mit einem Vordach zu den Geleisen, wurde nördlich zwischen Restaurantgebäude und den alten erdgeschossigen, aus Porphyrgestein gemauerten, teils verputzten Lagerhäusern mit einem mittigen, zweigeschossigen ehem. Zollgebäude errichtet. Noch weiter nördlich, Richtung Brenner, erstreckt sich ein langgezogenes Lagergebäude, auch mit Laderampen und einem zweigeschossigen Kopfbau, der, ganz in Granit gemauert, der Entwurfssystematik des Architekten von Flattich folgt. Parallel zu dieser langgestreckten Bauzeile befindet sich eine ehemalige Viehverladerampe mit teilweise offener Halle.

Im Nordostteil des Geländes wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg 5 Wohnblöcke für Eisenbahnbedienstete errichtet – solide Bauten, die der Entwurfssystematik Von Flattichs folgten, mit verputztem Mauerwerk bzw. Sichtmauerwerk auf Sockelgeschossen aus Porphyrblöcken. Ein weiteres Wohngebäude entstand 1928 nach Plänen von Architekt Mazzoni an der Bozener-Boden-Straße. Südlich dieser Baugruppe befindet sich ein Verwaltungsgebäude für Betriebstechnik aus den 30er Jahren und einige Nebengebäude, die nach dem zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Insgesamt breiten sich die Gleisanlagen im mittleren Bahnhofsbereich heute mit über zwei Dutzend parallelen Geleisen auf dem Bozener Boden aus.

Nördlich der Eisenbahnbrücke über den Eisack schwenkt ein Teil der Geleise östlich ab um sich als Zufahrtgeleise für die Depot- und Werkstattbauten bis hin zur Schlachthofstrasse aufzufächern. Die drei Lokomotivdepots mit den Oberlicht-Shed-Dächern aus den Jahren 1929 bzw. 1936 sind noch erhalten, ebenso die alte Schmiede, werden aber z.T. nicht genutzt. Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges wurden einige neue Werkstatt- und Depotbauten in einer Bauweise errichtet., die keiner einheitlichen Architekturrichtung folgen.

Bauzustand:
Die historischen Gebäude am Bahnhofplatz und entlang der Rittner- bzw. Garibaldistraße sind, soweit erhalten, in gutem Zustand. Die Erscheinung des Bahnhofsgebäudes vom Bahnhofsplatz und den angrenzenden Straßeneinmündungen ist im städtebaulichen Zusammenhang sehr eindrucksvoll, auch vom Erhaltungszustand der Fassaden. Die Innenräume des Aufnahmsgebäudes und die Bereiche für den Personenverkehr, die Bahnsteige und ihre Überdachungen wirken dagegen nicht sonderlich gepflegt – in Anbetracht der historischen, verkehrstechnischen und architektonischen Bedeutung des wichtigsten Bahnhofes der Region wäre hier mehr Sorgfalt und Pflege wünschenswert.

Weniger gut steht es um die historischen Werkstatt- und Depotgebäude – zwei von ihnen werden offenbar nicht mehr regelmäßig genutzt, entsprechend ist ihr Zustand. Überhaupt befindet sich eine Anzahl von Nebengebäuden, weil nicht mehr benötigt, mit eingeschlagenen Fensterscheiben, rostenden Stahlteilen usw. in übler Verfassung – sie verbreiten den Eindruck der trostlosen Verwahrlosung wie man sie in unserer Zeit eigentlich nur noch auf Bahngeländen und Industriebrachen vorfindet.

Derzeitige Nutzung:
Entsprechend seiner Bedeutung wird der Bahnhof Bozen umfassend genutzt. Ob alle Bereiche des Bahnhofes den Anforderungen an ein modernes öffentliches Verkehrssystem genügen, mag bezweifelt werden. Im Bereich der Technik kann dies von außen nicht beurteilt werden. Dagegen erscheint die Nutzung für den Reisenden nicht immer befriedigend – ungepflegte, oft sehr schmutzige Publikumsbereiche, vernachlässigte Gastronomie und ungemütliche Warteflächen belegen dies.

Geplante Nutzung: Durch seine Lage im östlichen Stadtkörper in unmittelbarer Nähe zur historischen Altstadt besetzen die ausgedehnten Bahnhofsanlagen wertvolle innerstädtische Flächen. Deshalb gibt es seit den 20er Jahren wiederholt Diskussionen über eine Verlegung des Bozener Bahnhofs mit Anbindung an die Industriezone jenseits des Eisack ohne daß bisher eine Entscheidung gefallen wäre – ein planerischer und politischer Dauerbrenner!

Empfehlung des Kuratoriums: Seiner Bedeutung gemäß sollten die Hauptgebäude des Bozener Bahnhofes mit der Eisenbahnnutzung mindestens für den Personenverkehr erhalten und sorgfältig unterhalten werden. Auf der Struktur des altösterreichischen Hauptbahnhofes für Südtirol ist in faschistischer Zeit das Bahnhofsgebäude gestalterisch anspruchsvoll überformt worden und bildet damit auch ein wichtiges Dokument der Südtiroler Geschichte aus jenen schwierigen Jahren. Auch in einem zusammenwachsenden Europa der Regionen, welches die Folgen der Nationalitätenkonflikte zu überwinden sucht, bildet diese Architektur ein wertvolles Studienobjekt der Baugeschichte vor dem Hintergrund politischer, nationalistischer, und technischer Ansprüche und Irrwege.
Aus verkehrstechnischer Sicht sollte das Angebot mit einem öffentlichen Verkehrsmittel das Zentrum der von Autos überschwemmten Stadt Bozen problemlos und direkt zu erreichen, unbedingt weiter genutzt und verbessert werden. Dabei muß den Reisenden dringend mehr Bequemlichkeit, Service und Sauberkeit geboten werden um die Zugverbindung eine wirkliche und angenehme Alternative zum Privatfahrzeug oder Bus werden zu lassen.

Gesamtbewertung (Prof. Arch. Andreas Gottlieb Hempel): Schon in vorgeschichtlicher Zeit scheint das Zusammentreffen von vier Talausgängen (Eggental. Eisacktal, Sarntal und Etschtal) mit den entsprechend Wasserläufen die Stelle, an der heute Bozen liegt als wichtigen Ausgangsplatz für die Überquerung der Alpen und den Austausch von Waren zwischen Nord und Süd bestimmt zu haben.
Im römischen Reich führte die Via Claudia Augusta Padana von Hostilia, dem Binnenhafen am Po durch Verona längs der Etsch durch die X. Regio Augustae über die Pons Drusi am Virgilberg über den Ritten und den Brenner nach Augusta Vindelicorum, dem späteren Augsburg in der Provinz Raetia. Mit Ausnahme des Verlaufs über den Ritten zur Vermeidung der Eisackschlucht war dies der Weg, den auch heute noch die Staatsstraße und die Eisenbahnstrecke nimmt – ein Weg, der auch während des Mittelalters die wichtigste Verbindung zwischen dem Norden und dem Süden darstellte.
Als in den 30er Jahren des 18. Jhts. die ersten Planungen für Eisenbahnstrecken in der K.K. Monarchie begannen, als 1841 die Generaldirektion der K.K.Staatsbahnen gegründet wurde, die ein zusammenhängendes Eisenbahnnetz für die Donaumonarchie plante und zunächst die Strecke Wien – Triest über den Semmering 1857 fertig stellte, geriet die Handelsstrecke durch Tirol ins Hintertreffen und vor allem Bozen in eine dramatisch verschlechterte Wirtschaftslage. Erst mit dem Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Verona und Bozen 1859 und zwischen Innsbruck und Bozen 1867 verbesserte sich die Lage und begründete schließlich den Wohlstand Südtirols und seiner Hauptstadt im Zeitalter der Industrialisierung und des internationalen Warenaustauschs. Z.B. wurde der Export von Porphyr und landwirtschaftlichen Produkten wie Wein und Obst in großem Umfang erst durch das Transportmittel Eisenbahn in großem Umfang möglich.

Noch zweimal sollten die Eisenbahnlinien, die in Bozen ihren bedeutendsten Knotenpunkt hatten, für Südtirol eine besondere Wichtigkeit erhalten:

Zum einen im ersten Weltkrieg für die Truppentransporte zur Dolomitenfront mit dem Ausbau zahlreicher Nebenstrecken und zum anderen in den Jahren des Faschismus vor dem Einritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg, zwischen 1924 und 1940. In diesen Jahren wurde die Eisenbahn zum Symbol des „Fortschritts“ unter Mussolini – insbesondere beim Ziel der Italianisierung des annektierten Südtirols. Bozen sollte zu einer italienischen Industriestadt mit 100 000 Einwohnern werden und der Nachteil der Randlage im Land durch die Eisenbahnverbindungen ausgeglichen werden. Gleichzeitig sollte die Architektur der Bahnhöfe in Trient, Bozen und am Brenner der faschistischen Macht und deren ästhetischer Präsentation Ausdruck verleihen.

Vor diesem ideologischen Hintergrund entstanden in Bozen gleichzeitig der neue Bahnhof als Eingang in die Stadt und das Siegesdenkmal in einer gedachten Ost-West-Achse dazu als Eingang in das „neue“ italienische Bozen – ausgeformt in einer „Architettura per una Bolzano Italiana“, einer Architektur, die auf der Funktionalität der Moderne und des Futurismus aufbauend mit einem auftrumpfenden Neoklassizismus verschnitten wurde. Eine Architektur, die übrigens in den dreißiger Jahren europaweit zu beobachten war (z.B. die Parlamentsbauten in Helsinki und Lissabon, das Musée d’ Art Moderne von Dondel in Paris oder die Parteibauten der NSDAP von Troost in München). Bauten oft mit hoher Qualität aber auch von bisweilen peinlich wirkender Großmannsucht ohne Rücksicht auf regionale Bautraditionen oder das städtische Umfeld, in das sie oft rücksichtslos und unsensibel eingefügt wurden.

Vor diesem ideologischen Hintergrund und in dieser Bautradition muß die Umgestaltung der elegant-bürgerlichen spätklassizistischen Architektur des K.K. Bahnhofes durch den römischen Architekten Angiolo Mazzoni verstanden werden. Es wurde eine bis dahin ortsfremde Architektur der „Sieger“ eingeführt, die im Rahmen der Italianisierung Südtirols der deutschsprachigen Bevölkerung als Symbol ihrer Zwangslage erscheinen musste, Emotionen wie Hass und Widerstand weckte und weithin bis heute auf Ablehnung stieß. Mit dem Abstand zur faschistischen Zeit der Unterdrückung, nach der Überwindung der politischen Präpotenz des zentralistischen Italiens durch die Einigung auf das Autonomiestatut und den nicht zuletzt dadurch entstandenen Wohlstand Südtirols – übrigens auch mit der Hilfe des italienischen Staates! - kann die Qualität der Architektur Mazzonis im Rahmen der „Architettura per una Bolzano Italiana“ sine ira et studio als geschichtliches Monument von hoher Qualität betrachtet und gerecht bewertet werden. Sie ist Teil der Geschichte Südtirols, bedeutendes Zeugnis der Architekturgeschichte von europäischem Rang und damit unbedingt erhaltenswert.

Bedauerlicherweise steht nur die Fassade des Bahnhofes unter Denkmalschutz. Im Inneren sind Änderungen, Verfremdungen und Umbauten möglich und unbedacht geschehen. Zu welch abstruser Hässlichkeit dies führen kann ist an der heutigen Ausgestaltung und Nutzung z.B. des Restaurants im Turmbau mit Grausen zu beobachten: Die repräsentative Eingangstür hat als Zugang ausgedient, stattdessen ist dort - von einer Kette gesichert - ein Getränkeautomat aufgestellt. Die Inneneinrichtung ist so verändert, daß man nur in Notfällen inmitten dieser Ungemütlichkeit bestenfalls einen Espresso im Stehen zu sich nehmen möchte. So geht es im Inneren des Bahnhofes fort – nichts lädt zum Verweilen ein. Nur weg von hier. Dabei könnte dieser Bahnhof zu mehr dienen als nur der Abfahrt und der Ankunft. Es gibt Bahnhöfe, die Zielpunkt und gerne besuchter Aufenthaltsort der Stadtbewohner selbst sind. Dazu sollten auch die Räume des Bozener Bahnhofes durch angemessene Gestaltung, Einrichtung und Angebote wieder werden!

Aber auch im baulichen Ensemble der historischen Gebäudeteile ist mit unsensibler Planung in der Nachkriegszeit geradezu gewütet worden: Neben dem eleganten Turmbau ist ein braun verputzter Klotz entstanden, der in völliger Verkennung der eigenen Ungestalt auch noch mit einem industrieverglasten Treppenhausturm in unmittelbarer Nachbarschaft des schlanken Turms mit der eleganten Architektur Mazzonis wetteifern möchte. Ein architektonisches Desaster.

Dazu kommt hinter der putzbröckelnden, abweisenden und schier endlosen dunklen Mauer entlang der Rittnerstraße auf dem weitläufigen Bahngelände eine große Anzahl verwahrloster und teilweise nicht mehr genutzter Schuppen, Hütten, Bauteile und anderer eisenbahnerischer Gerümpel, die einfach nur einmal beseitigt werden müsste um der ungestalten Trostlosigkeit mitten in der Stadt wenigstens etwas abzuhelfen. Das Gelände ist schließlich von den schönsten Hängen um Bozen von oben einsehbar und die Stadt hat diese ausgedehnte optische Umweltverschmutzung einfach nicht verdient.

Wie sollte es nun weiter gehen?
Der Bozener Bahnhof muß unbedingt als baukulturelles Zeugnis und als Personenbahnhof erhalten werden. Nur die dazu erforderlichen Geleise sollten bestehen bleiben. Die übrigen Funktionsflächen könnten in die Nähe des Industriegebietes am Flughafen Bozen verlegt werden. Dort wären die erforderlichen Verbindungen der unterschiedlichen Verkehrsmittel insbesondere mit einem neuen LKW-Frachthof störungsfrei für die Stadt herzustellen. Für das freiwerdende Bahnhofsgelände, das wegen seiner zentralen Lage zu den wertvollsten Flächen in der Stadt gehört, sollte ein internationaler städtebaulicher Wettbewerb zum Thema Stadterweiterung und Stadtumbau durchgeführt werden. Dabei muß der Aufgabe der Einbindung der Hauptgebäude, der Anbindung der Altstadt über den verbleibenden schmalen Gleiskörper und dem Erhalt sowie der Umnutzung der noch bestehenden historischen Lagerhallen und Lokdepots besonderes Augenmerk geschenkt werden. Auch die Eisenbahnerhäuser und deren Einbindung in den neu entstehenden Stadtteil muß wichtiger Teil der Aufgabe sein.

Das Ergebnis dieses Stadtumbaus wird die weitere gute Erreichbarkeit der Bozener Innenstadt mit der Bahn sein, die Entlastung des Bozener Bodens vom Frachtverkehr, Lärm und Immissionen, der Eisenbahnwartung und hässlicher Bauteile bedeuten. Der überteuerte Bozener Wohnungsmarktes kann sich durch attraktive Wohnangebote entspannen und städtische Lebensqualität in einem urban durchmischten neuen Viertel mit öffentlichen Einrichtungen in den historischen Bahnbauten, Läden, Restaurants und neuen Arbeitsplätzen im tertiären Sektor das Angebot Bozens abrunden und den historischen „genius loci“ aufnehmen.


Aktueller Zustand:
      betriebstüchtig
Denkmalgeschützt mit LAB Nr.:
      Nur Eingangsfassade.
Für Publikum zugänglich:
      Ja
Baudaten:
      Baubeginn: 00-00-0000
      Inbetriebnahme: 00-00-0000
      AuftraggeberIn: K.K. Südtiroler Staatseisenbahn (1851-1858), ab 1859 K.K. Privilegierte Staats-Lombardisch-Venetianische und Centralitalienische Eisenbahngesellschaft
      Projektant/Erfinder: Luigi von Negrelli; Moritz Löhr
      Erbauer/Konstrukteur: Ernst Hranatsch
Panorama

Südtirol - Bozen
Bahnhofsplatz 1-5
I - 39100 Bozen







Technik











Geschichte

Ursprünglicher Baubestand:
Von Anfang an nahm der Bozener Bahnhof eine wichtige Stellung ein. Dies konnte man bereits an der beanspruchten Fläche auf dem Bozener Boden erkennen: 80 000 qm mit Bahnanlagen, die sich über 750 m Länge erstreckten. Er lag anfänglich allerdings außerhalb der Bozener Gemeindegrenzen im Stadtteil Zwölfmalgreien.
Schon 1860 – also ein Jahr nach der Eröffnung – beauftragte die Gemeindeverwaltung den Münchener Architekten Sebastian Altmann den ersten Stadtplan für das Bahnhofsgebiet zu entwerfen. Altmann verknüpfte den Bahnhof mit dem Altstadtkern über vier strahlenförmig vom Bahnhofsplatz ausgehende Straßen, die heutige Garibaldistraße, die Bahnhofsallee, die Laurinstraße und die Rittnerstraße. Sie bildeten die Infrastruktur, auf der sich die neuen Bauten bzw. der Stadtpark (z.T. auf der Fläche des ehem. Gemeindefriedhofes, der erst 1930 nach Oberau verlegt wurde) zwischen Bahnhof und Altstadt entwickelten. Um den Bahnhof entstanden prächtige Bauten: 1882 das Palais Widmann (heute Sitz der Landesregierung) und 1884 das Hotel Viktoria, an dessen Stelle sich seit 1998 der Erweiterungsbau der Landesregierung befindet.

Wegen seiner Bedeutung erhielt der Bozener Bahnhof ein großes Bahnhofsgebäude, dessen mittiges Aufnahmsgebäude sich auf dem Grundriss eines halben Achtecks zum Bahnhofsplatz hin erstreckte. Auf der Nordseite und Südseite hatte das Gebäude gleisseitig kurze Flügel, die Wartesäle bzw. ein Restaurant enthielten. Östlich direkt an das Mittelgebäude angebaut war über den zwei Durchgangsgeleisen eine Bahnhofshalle mit repräsentativen Portalen an den jeweiligen Enden errichtet worden, die auf beiden Seiten das Aufnahmsgebäude erheblich überragte.
Parallel zu den Geleisen lag im Süden des Bahnhofsgebäudes eine große Wagenremise sowie in kleineres (Wohn-) Gebäude mit Garten und Gewächshaus. Im Norden des Hauptgebäudes lag die Eilguthalle mit Laderampe, danach folgte Richtung Brenner ein langes Frachtmagazin mit Zollamt. Gegenüber der Bahnhofshalle war die Lokomotivremise angeordnet aus der die Zugmaschinen in ein Werkstättengebäude mit drei Reparaturgruben gefahren werden konnten. Neben der Werkstatt lag, östlich an Privatgrund angrenzend, ein Materialmagazin. Anfang des 20. Jhts. wurde die Werkstatt um ein Kohlelager erweitert.

1898 wurde die Bahnstrecke nach Kaltern eingeweiht. Für deren Geleise mussten die südliche Wagenremise und das Wohngebäude entfallen. Zwischen 1905 und 1910 wurden zwei große im Osten angrenzende Grundstücke enteignet. Auf dem einen wurde ein neues Lokomotivdepot mit strahlenförmigen Zufahrten und Drehscheibe errichtet. Das andere, nördlichere wurde zum Bau von Wohnhäusern für Eisenbahner verwendet. Gleichzeitig wurde an der nördlichen Seite des Zolllagers die Anlage für die Rittnerbahn – eingeweiht 1907 - mit Lokomotivschuppen, Warenlager und Laderampe gebaut.

1910 hatte Bozen 30 000 Einwohner und der Bezirk Zwölfmalgreien mit dem Bahnhof wurde 1911 eingemeindet. Der internationale Tourismus vor allem in das „Nobelviertel“ Gries mit seinen Sanatorien, Hotels und Sportanlagen hatte so zugenommen, daß der Bahnhof um die Jahrhundertwende den Namen „Bozen-Gries“ erhielt.



Umbau unter dem Faschismus:
1924 übernahm Costanzo Ciano das Verkehrsministerium in Rom und setzte die Ideologie Mussolinis für Verkehrsbauten um, in denen die Eisenbahn als Symbol für Fortschritt und Prestige des faschistischen Systems stand. Vor allem im besetzten Südtirol, dem Preis für den Kriegseintritt Italiens 1915 an der Seite der Alliierten, galt es Innovation, Effektivität und Geschwindigkeit des Regimes auch baulich unter Beweis zu stellen. Ciano ordnete also sofort den Umbau des Bahnhofs Bozen als einem Relikt der verhassten „pangermanischen“ K.K. Monarchie an.
Der Auftrag ging an den römischen Architekten Angiolo Mazzoni mit der Auflage, nicht nur eine repräsentative Architektur des faschistischen Staates zu errichten, sondern den Bau gleichzeitig mit dem geplanten Siegesdenkmal (Architekt Marcello Piacentini) als Pendant entlang einer Ost-West-Achse der neuen italienischen Stadtquartiere zur Einweihung am 24. Mai 1928 fertigzustellen.

Nach einigen Überlegungen u.a. zur Verlegung des Bahnhofes nach Oberau südlich der Etsch, entschied man sich zum Umbau des bestehenden Bahnhofes. Der Mittelbau mit der architektonischen Charakteristik des Wiener Neoklassizismus erhielt eine von acht Säulen gegliederte vorgesetzte Fassade von starker Plastizität. Die Restaurants wurden in einen zweigeschossigen seitlichen Neubau mit Turm in Richtung Norden verlegt, der durch einen erdgeschossigen Verbindungstrakt mit dem Mittelbau verbunden war. Dadurch war der freie Blick vom Bahnhofsplatz zum Rosengarten gewährleistet – ein beieindruckendes Bild, gerahmt von den neuen Architekturelementen. Mit dem Turmmotiv lehnte sich Mazzoni an die Bahnhofsbauten von Helsinki (Eliel Saarinen, 1910-14) und von Stuttgart (Paul Bonatz, 1912-31) als hochaufragende Symbol für die neue Verkehrstechnik an. Südlich des Mittelbaus schloss sich ein langgestreckter Flügel für die Verwaltung und die Bauabteilung der FS angeordnet.

Gleisseitig wurde die hohe Bahnsteighalle abgebrochen und durch eine Eisenkonstruktion über dem Erdgeschoss ersetzt. Eine Unterführung zu den außenliegenden Geleisen wurde angelegt. Die Umbauten begannen im Mai 1927, wurden bei laufendem Betrieb durchgeführt und der Bahnhof konnte zusammen mit dem Siegesdenkmal in Anwesenheit des italienischen Königs bereits nach einem Jahr am 24. Mai 1928 eingeweiht werden.

In der Zeit des Umbaus wurde auch die Strecke zwischen Bozen und dem Brenner elektrifiziert und weitere Zubauten auf dem Bahnhofsgelände durchgeführt. Dazu gehörte das Depot für elektrische Lokomotiven, das 1929 auf einer Fläche von 70 000qm fertiggestellt wurde. Es bestand aus einem Werkstattgebäude mit Halle für 14 Elektrozugmaschinen, einer Schmiede, einer Schreinerei und kleineren Bauten für Werkleistungen.

Die Pläne Mussolinis sahen ein Anwachsen Bozens durch Zuwanderung aus Süditalien auf 100 000 Einwohner vor. Eine entsprechende Stadtplanung wurde von Marcello Piacentini entwickelt. Tatsächlich zählte man bereits 1936 ca. 50 000 Einwohner und weiter Umbauten und Ergänzungen des Bahnhofes wurden erforderlich. Zwei neue Zwischenbahnsteige mit Stellwerk für den Personenverkehr Richtung Trient und Verschiebegeleise für den Güterverkehr entstanden. Der Viehumladeplatz wurde neben das Lokomotivdepot verlegt. Ein weiteres Stellwerk kam auf die Brennerseite. Zwei neue Lokomotivdepots mit 3 bzw. 6 Wartungsgruben mit Werkstatt in gestalterischer Anlehnung an das vorhandene Depot, ein neues Bahnbetriebswerk und ein Warenlager mit überdeckter Laderampe wurden 1936 gebaut.

Kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhofsplatz nach Mussolinis Verkehrsminister Costanzo Ciano benannt, die Laurinstrasse erhielt den sinnigen Namen Via del Littorio und die Bahnhofsallee wurde zum obligatorischen Corso Vittorio Emanuele.





Kontakt

Ferrovia Statale FS - Direktion Region Bozen

39100 Bozen
Tel: 0039-0471-976077
Fax: 0039-0471-313786
Webseite: http://www.trenitalia.it


Meilensteine

K.K. Südtiroler Staatseisenbahn (1851-1858), ab 1859 K.K. Privilegierte Staats-Lombardisch-Venetianische und Centralitalienische Eisenbahngesellschaft
Ab 1862 K.K. Privilegierte Südbahn Gesellschaft, unter der Leitung von Luigi v. Negrelli Ritter von Moldelbe (1799-1858) - Genehmigung seines Entwurfs für die Strecke Verona –Bozen: 1853. Fertigstellung: Einweihung am 16. Mai 1859. Einweihung Umbau 24.Mai 1928 Heutige Eignerin: Italienische Staatsbahn FS (seit 1919 für die Strecke ab Brenner).

Luigi von Negrelli; Moritz Löhr
Architekten: Luigi v. Negrelli mit Moriz Löhr (Entwurf), Ernst Hranatsch (Bauleitung) Umbau: Angiolo Mazzoni (Entwurf), Rondolfo Colombo / Mario Gröbner (Bauleitung)



Fotogalerie

img3yCLI7.jpgBahnhof Bozen
Der Hauptbahnhof von Südtirol - Blockade oder zentrale Erschließung der Stadt?
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgqWnyVH.jpgBahnhof Bozen, Fassade
Fassade Eingang nach dem Umbau 1928
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgy7aLUu.jpgBahnhof Bozen, Turm und Hauptgebäude
Der Blick zum Rosengarten gerahmt von Turm und Hauptgebäude.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
img81qsmK.jpgBahnhof Bozen, Turm

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
img24hmyT.jpgBahnhof Bozen, 14er Lokdepot von 1929

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgyHtQ2W.jpgBahnhof Bozen, 6er Lokdepot

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
img3KVTpf.jpgBahnhof Bozen, südlicher Verwaltungsflügel

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgazdX1G.jpgBahnhof Bozen, Frachtgebäude

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgwpvWge.jpgBahnhof Bozen, Eisenbahnerwohnhaus

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004


Literatur

Bahnhof Bozen
Informationen:
Wilhelm von Flattich ?Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung auf den Linien der K.K. Priv. Südbahn-Gesellschaft? Lehmann&Wenzel, Wien.
Laura Facchinelli ?Die Eisenbahn Verona-Brenner? Athesia Bozen 1995
Elisabeth Baumgartner ?Kleinodien alt-österreichischer Eisenbahnarchitektur: Die Hochbauten der Brennerbahn? in Christoph Bertsch (Hrg) ?Industriearchäologie? Haymon Verlag 1992.
Elisabeth Baumgartner ?Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol? Haymon Verlag 1990.
Rosenberger ?Die Eisenbahnen in Südtirol? Athesia 1993.
?Nutzungskonzept für verwaiste Bahnhöfe? Text: Elisabeth Baumgartner, Koordination: Wittfrieda Mitterer.
Oswald Zoeggeler und Lamberto Ippolito ?L?Architettura per una Bolzano Italiana? Tappeiner Verlag, Lana 1992.
Wittfrieda Mitterer ?Zeitzeichen der Technik? Edizione Raetia, Bozen 1993.
Pevsner, Honour, Fleming ?Lexikon der Weltarchitektur? Prestel Verlag 1992.
MART Quaderni di architettura ?Angiolo Mazzoni ? Architetto Ingeniere del Ministero delle Communicazioni? Skira Editore, Milano 2003.
Bauabteilung der FS, Bahnhof Bozen, Radames Pandini, Planarchiv.
Stephanie Risse-Lobis ? EURAC ? Ein Haus für die Europäische Akademie Bozen? Folio Verlag Wien-Bozen 2003.
Erscheinungdatum: 00-00-0000