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Brennerbahn Bahnhof Grasstein (ehem.)

Brennerbahn Bahnhof Grasstein (ehem.) - Baubestand, Bauzustand und Nutzung
Heutiger Baubestand:
Aufgereiht von Süden nach Norden: Das Wärterhaus, das Wohngebäude mit drei Stockwerken, das kleine Magazingebäude aus Holz, das Aufnahmsgebäude aus Granit, das Trafogebäude aus Mauerwerk und Holz mit Pultdach, die freistehende Wasserstation aus Granit und Holz mit original erhaltenem technischen Interieur und das kleine massive Magazin u. Abstellgebäude mit Satteldach.

Das Umspannwerk – 500 m nördlich des Bahnhofes mit dem Wohnblock ist ebenfalls noch erhalten.

Bauzustand:
Mit Ausnahme des hölzernen Magazins, das noch die ursprüngliche braungelbe Farbgebung aufweist sind alle Gebäude in relativ gutem Zustand, besonders gut das ehem. Aufnahmsgebäude, weniger gut bedauerlicherweise die Wasserstation, die mit ihrem erhaltenen Interieur geradezu ein kleines technisches Museum darstellt.

Umspannwerk und Wohnblock im Norden des Geländes sind in mäßigem Zustand.

Derzeitige Nutzung:
Das Wohnhaus ist verlassen. Das hölzerne Magazingebäude steht offen und dient als verwahrloster Abstellraum, der Bahnhof ist für den Personenverkehr stillgelegt und enthält in den Eingangs- bzw. Warteräumen neue Blockschaltanlagen, ein Warteraum in Originalausstattung ist noch erhalten. Die Wohnung im Obergeschoß ist nicht genutzt. Die Trafostation ist in Betrieb, die Wasserstation stillgelegt und das kleine Magazin dient als Abstellraum.

Das Umspannwerk und der Wohnblock nördlich des Bahnhofgeländes sind ungenutzt.

Geplante Nutzung:
An neuer Nutzung wird seit ca. 20 Jahren die Nutzung als Verladebahnhofsgelände diskutiert. Eine Entscheidung darüber wurde immer wieder verschoben. Seit etwa drei Jahren ist ein privater Investor an dem Gleisgelände westlich der beiden Durchgangsgeleise interessiert um dort einen Verladebahnhof für Container, Holz, Steine, Marmormehl und andere Schwertransporte einzurichten und diese statt auf der Straße über die Schiene zu transportieren. Die bestehenden Gebäude könnten dabei in die Nutzung einbezogen werden. Das ehemalige Eisenbahnerwohnhaus soll renoviert und die Wohnungen (trotz „schattiger“ Lage) als Eigentum an Mitarbeiter der FS verkauft werden.

Empfehlung des Kuratoriums:
Eine gesamte Unterschutzstellung der historischen Bahnhöfe entlang der Brennerlinie als Denkmal von europäischem Rang ist dringend erforderlich – mit dem Bahnhof Grasstein könnte dabei ein Anfang mit einem eindrucksvollen Beispiel gemacht werden:
Der Bahnhof Grasstein stellt mit dem hölzernen Magazin und der Wasserstation ein bedeutendes Ensemble dar, welches nach Auskunft des Bürgermeisters von Franzensfeste, Dr. Johann Wild, aus den Plänen eines Verladebahnhofes ausgeklammert werden soll. Damit bestünde die Möglichkeit dieses Ensemble aufzuwerten und m.E. öffentlich zugänglich zu machen. Es wird zwar bedauert, daß das schöne Bahnhofsgebäude vom Typ IV der von Flattich entwickelten Bahnhofstypen innen gänzlich mit technischem Gerät verstellt wurde. Hier könnte eine Lösung im Sinne einer sensiblen Renovierung und Erhaltung als zugängliches Gebäude – evtl. mit dauerhafter Dokumentation über die Grassteiner Brüche gesucht werden.
Die Belebung des verwaisten Areals durch einen Verladebahnhof wird im Hinblick auf Vandalentätigkeit, das Interesse eines weiteren Publikums usw. durchaus als Vorteil gesehen.

Gesamtbewertung (Prof. arch. Andreas G. Hempel):
Bei der Eröffnung der Brennerbahn war Grasstein (eigentlich Großstein) die letzte Station vor Franzensfeste. Der kleine Ort war für seine Granitsteinbrüche seit Jahrhunderten berühmt. Bis zum Zweiten Weltkrieg gewann man aus den oberhalb Grassteins liegenden Hängen das Material für Bauten und Straßenpflasterung. Die Granitbauten der Brennerlinie – selbstverständlich auch der Bahnhof Grasstein – wurden aus diesem Material ebenso errichtet wie zahlreiche andere Bauten der Südbahn z.B. im Pustertal und in Ungarn. Da die Brennerbahn das geeignete Transportmittel für den schweren Granit war, erhielt der Ort von Anfang an einen Bahnhof, der für den Personenverkehr keine große Rolle spielte – ein Grund dafür, weshalb Grasstein ebenso wie Mittewald oder Mauls heute vom öffentlichen Verkehr trotz aller Versuche, den Straßenverkehr zu entlasten, bedauerlicherweise nicht mehr angefahren wird.

Der Bahnhof, das verlassene Wohnhaus, der stillgelegte Wasserturm zur Versorgung der Dampfloks, die kleine hölzerne Lagerhütte und die später errichteten Technik- bzw. Abstellgebäude liegen auf der Ostseite des Ortes zwischen der lärmigen Autobahn und den langsam zuwuchernden, nicht mehr genutzten Geleisen, nur durch eine Unterführung von der Staatsstraße und über einen schmalen Weg als Sackgasse erreichbar. Ein öder, verlassener Ort - wenn da nicht der Wasserturm und der Bahnhof aus nahezu unvergänglichem Granit mit den immer noch originalen Dachaufbauten aus Holz von einer einmaligen Baukultur aus der Frühgeschichte des Eisenbahnbaus künden würde.

Die drei alten Gebäude und – mit Einschränkungen der Wohnhausbau von Mazzoni - erscheinen wegen ihres Materials und ihrer durchdachten Typenbauweise unverwüstlich. Das Bahnhofsgebäude basiert auf dem auf äußerste Wirtschaftlichkeit und Dauerhaftigkeit entwickelten und je nach Bedarf und Ort abgewandelten bestens durchdetaillierten Bauschema, das der Architekt Wilhelm von Flattich mit seinen großen Erfahrungen im Bahnhofsbau speziell für die Brennerbahnlinie entwickelte. Klare Funktionsaufteilung – im Erdgeschoss die Bahnnutzung mit mittiger Eingangshalle, Fahrkartenschalter, und Warteräume rechts und links davon, durchgängig zwischen Straße und Gleisen, im Obergeschoss die Dienstwohnung – wurde im Stile gehobener bürgerlicher Wohnhausbauten architektonisch ohne jede Anbiederung an pseudoalpine Dekorationen gestaltet. Gerade deshalb fügen sich diese Bauten zwanglos in das enge Gebirgstal des Eisacks hervorragend ein und sind in diesem Sinne beispielgebend.

Der Bahnhof Grasstein gehörte zu den einfacheren Bautypen mit einem Mittelrisalit für die Eingangshalle, der sich auf der Gleisseite jedoch nicht wiederholt und zwei jeweils einachsigen Seitflügeln. Darüber ein flaches Satteldach mit schmuckvoller Ausgestaltung an den Giebelseiten, die bis auf ein Rundfenster im Giebel und drei Fenster im Obergeschoss der Nordseite keine Öffnungen aufweisen. Die Fassaden und das Dach befinden sich in bestem Zustand – innen ist der ehemals durchgehende offene Grundriss mit Schaltkästen leider völlig verbaut. Ein hässlicher Vorbau aus Stahl und Glas für die ehemalige Zugabfertigung verschandelt den gleichmäßigen Rhythmus der vier Türen zur Bahnsteigfront. Den Wasserturm, das hölzerne Lagerhäuschen und das Eisenbahnerwohnhaus findet man in weniger gutem Zustand vor, dafür ist aber alles im Originalzustand erhalten.

Die Frage ist nun, welche sinnvolle Nutzung für die vier historischen Gebäude gefunden werden kann. Die Umnutzung in einen Verschiebebahnhof für unterschiedlichsten Bedarf scheint eine endlose Geschichte zur Beruhigung der Politiker zu sein. Die Vergangenheit des Ortes mit seinen Granitsteinbrüchen spricht für ein regionales Atelier für Bildhauer-Symposien mit Wohnungen auf Zeit im ehemaligen Eisenbahner-Wohnhaus. Der Wasserturm direkt am künftigen Eisacktaler Radwanderweg könnte die Informationsstelle für ein Granitstein-Lapidarium der Bildhauer und der Steinindustrie auf den nicht mehr genutzten weitläufigen Gleisflächen werden und einen touristisch-kulturellen Anziehungspunkt bilden auch wenn in den Steinbrüchen nicht mehr kommerziell gebrochen wird. Hier wird in naher Zukunft auch der Fahrradweg Brenner-Bozen vorbeiführen – er benötigt sicher Rast- und Reparaturstätten. Auch das könnte in den alten Bahnhof zwanglos integriert werden.

Wie auch immer – hier handelt es sich um ein besonders wertvolles Ensemble der Brennerbahnstrecke, welches es zu erhalten und einer neuen Funktion zuzuführen gilt.


Aktueller Zustand:
      nicht funktionstüchtig
Denkmalgeschützt mit LAB Nr.:
      Bp. 57/3, E.Zl. 129/II, K.G. Mittewald
Für Publikum zugänglich:
      Ja
Baudaten:
      AuftraggeberIn: K.K. Privilegierte Südbahn Gesellschaft (1862)
      Projektant/Erfinder: Architekt: Wilhelm von Flattich (1826-1900)
      Erbauer/Konstrukteur: Karl von Etzel
Panorama

Südtirol - Eisacktal
Eisackstraße 1
I - 39045 Franzensfeste, Fraktion Grasstein






Technik











Geschichte

Ursprünglicher Bauzustand:
Bei der Eröffnung der Brennerstrecke war zunächst Grasstein nach Franzensfeste der nächste Halt (Mittewald – zwischen beiden gelegen – bekam erst Ende des 19.Jhts. einen kleinen Haltepunkt.) Wegen der Granitsteinbrüche erhielt der Ort schon während des Baus der Brennerstrecke einen Bahnhof, da das Material Granit beim Großteil aller Bahnhöfe seine Verwendung fand. Darüber hinaus wurde Grassteiner Granit vor dem Ersten Weltkrieg in die gesamte K.K. Monarchie exportiert. Grasstein war neben Mauthausen (OÖ) der bedeutendste Granitbruch Österreichs.

Der Bahnhof erhielt ein Aufnahmsgebäude vom Typ IV nach der Typologie des Architekten Wilhelm v. Flattich als ebenso kompakten und sparsamen Typ wie in Freienfeld. Es diente ja weniger dem geringen Personenverkehr als dem Frachtwesen. Nebenan südlich entstand ein hölzerner Magazinbau und noch ein Stück weiter ein „Wärterhaus in der Ebene“ (Serie I, Tafel 13) in schmucklosem Granitmauerwerk. Es hat ostseitig einen kleinen Toilettenanbau. Nördlich eine Wasserstation, ebenfalls aus Granit mit Holzverschalung im Obergeschoß für die Behälter aus Rothschildstahl, die auf Achteckträgern ruhen.

Das Hauptgebäude war ebenfalls aus Granitsteinen mit bossierten Eckrisaliten, Sockel und Geschoßlisenen erstellt, gleisseitig mit vier Fensterachsen unter der durchgehenden Traufe des Satteldaches. Die Eingangsseite wurde mit einem Mittelrisalit unter einem Dachgiebel gegliedert – rechts und links davon jeweils mit einer Fensterachse versehen. Der Südgiebel hatte außer einem Rundfenster im Giebel keine weiteren Öffnungen, der Nordgiebel hat jedoch im ersten Geschoss noch drei gleichartige Fenster, die wie die übrigen Fenster des Obergeschosses auf der umlaufenden Lisene aufsitzen. Die überstehenden Enden des Satteldaches darüber sind mit dekorativen Holzarbeiten versehen.

1927 wurde nach Plänen von Angiolo Mazzoni der Bau des dreigeschossigen Personalwohnhauses durchgeführt sowie der Ausbau der Gleisanlagen für das Militär mit insgesamt 5 Geleisen, davon eines mit langgestreckter Rampe im Westen nur für Ladezwecke. 1960 Zubau einer Trafostation zwischen Aufnahmsgebäude und Wasserstation und eines Magazins nördlich derselben. 1965 wurde der Bahnhof in eine unbesetzte Haltestelle umgewandelt und danach aufgelöst. Ende der 60er Jahre unterstützte die Station Grasstein mit 11 Abstellgleisen und einem Verschiebegleis den größeren, sieben Kilometer südlich gelegenen Bahnhof Franzensfeste vor allem für Viehtransporte. Heute sind nur noch die zwei Fernbahngleise in Betrieb.

Einen halben Kilometer nördlich des Bahnhofes wurde 1928 während der Elektrifizierung der Brennerstrecke mit Drehstrom ein Umspannwerk zusammen mit einem dreigeschossigen Wohnhaus (Arch. Mazzoni) errichtet.





Kontakt

Ferrovia Statale FS - Direktion Region Bozen

39100 Bozen
Tel: 0039-0471-976077
Fax: 0039-0471-313786
Webseite: http://www.trenitalia.it


Meilensteine

K.K. Privilegierte Südbahn Gesellschaft (1862)
Bauzeit 1863 – 1867 von Innsbruck nach Bozen unter Karl von Etzel (gest. 1865) und Achilles Thommen, Wilhelm Pressel, Julius Lott und Wilhelm Hellwag. Fertigstellung: 1867, Wohnhaus 1928 Heutige Eignerin: Italienische Staatsbahn FS (seit 1919 für die Strecke ab Brenner).

Architekt: Wilhelm von Flattich (1826-1900)
Wilhelm von Flattich (1826-1900), Hochbaudirektor der K.K. Privilegierten Südbahngesellschaft. Mitarbeit: Arch. Franz Wilhelm.



Fotogalerie

img7Yhb29.jpgBahnhof Grasstein (ehem.)
Grassteiner Granit - der Stoff aus dem die Bahnhöfe sind.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgqncTtT.jpgBahnhof Grasstein (ehem.), Wasserturm

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgUI5yzy.jpgBahnhof Grasstein (ehem.), Lagerhalle

AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004


Literatur

Bahnhof Grasstein (ehem.)
Informationen und Zitate aus:
Wilhelm von FLATTICH ?Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung auf den Linien der K.K. Priv. Südbahn-Gesellschaft? Wien, Lehmann&Wenzel, ohne Datum.
Elisabeth BAUMGARTNER ?Kleinodien alt-österreichischer Eisenbahnarchitektur: Die Hochbauten der Brennerbahn?; Fotos Walter NIEDERMAYER, in Christoph BERTSCH (Hrsg) ?Industriearchäologie, Nord-, Ost-, Südtirol und Vorarlberg?, Innsbruck, Haymon Verlag 1992, S. 49-77.
Elisabeth BAUMGARTNER; ?Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol?, Innsbruck, Haymon, 1990.
Gerhard und Josef DULTINGER, ?Die Brennerbahn, Gestern ? heute ? morgen?, Thaur/Tirol, Wort und Welt Verlag, 2. Auflage: 1989
Laura Facchinelli ?Die Eisenbahn Verona-Brenner? Athesia Bozen 1995
MART Quaderni di architettura ?Angiolo Mazzoni ? Architetto Ingeniere del Ministero delle Communicazioni? Skira Editore, Milano 2003.
Wittfrieda MITTERER ?Zeitzeichen der Technik? Edizione Raetia, Bozen 1993.

Siehe auch:
Günther ENNEMOSER, ?La storia di Colle Isarco con particolari riguardi agli anni 1850 ? 1914, tesi di laurea?, Padova, 1974/75.
Günther ENNEMOSER; Südtiroler Gebietsführer, Nr.39, Bozen, Athesia Druck, 1984.
Alois TRENKWALDER, ?Brenner ? Brennero, Gemeinde?, Gemeinde Brenner-Gossensass (Hrsg.) 1999.
Hans-Jürgen und Carl ROSENBERGER ?Die Eisenbahnen in Südtirol? Athesia; 1993.

Auskunftspersonen:
Radames PANDINI, Bauabteilung der FS, Bahnhof Bozen, Planarchiv.
Rudi PLANK Vorsitzender des Eisenbahner-Freizeitvereins Dopolavoro FS, Bahnhof Sterzing
Dr. Johannes WILD, Bürgermeister der Gemeinde Franzensfeste / Grasstein.
Erscheinungdatum: 00-00-2000