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Kraftwerk Kardaun

Technikkathedrale Kardaun
Das Enel-Kraftwerk in Kardaun beherrscht mit den mächtigen Druckleitungen das Landschaftsbild des Eisacktals im Norden von Bozen. Das 1929 nach Ing. Carlo Cicogna benannte und nach Plänen von Ing. Gaetano Ganassini gebaute Kraftwerk war seinerzeit das grösste Europas. Am 15. Dezember 1931 wurde im Enel-Werk in Kardaun die Abnahme der damals grössten Kraftzentrale Europas durchgeführt. In den Jahren vorher waren an die 5000 Arbeiter auf der Mega-Baustelle beschäftigt, die in ihren einzelnen Bauabschnitten vorbildhaft dokumentiert wurde, unter anderem durch einen Schwarz-Weiss-Film des Istituto Luce in Rom. Das Kraftwerk mit einer Jahresproduktion von 579.294.000 kWh (1948) war Experimentierfeld für verschiedene Pionierleistungen, die dann beim Bau anderer Kraftwerke im oberitalienischen Raum wieder umgesetzt und verfeinert wurden. Heute produziert das Werk vergleichsweise 700 GWh, zirka 12 Prozent der gesamten Stromproduktion von Trentino-Südtirol und 6,2 Prozent des Enel-Stroms aus Wasserkraft im Triveneto.

Das Kraftwerk dominiert mit den fünf -ursprünglich sechs- Druckleitungen das im Norden in den Bozner Talkessel einmündende Eisacktal. Krafthaus und Wehre liegen am orographisch rechten Flussufer, das von der Brenner-Staatstrasse begrenzt wird. Die Wasserfassung befindet sich in Kollmann, 15 km weiter nördlich vom Standort des Kraftwerks entfernt.
Das Eisack-Wasser strömt durch einen in den Berg gehauenen Tunnel bis nach Kardaun, fliesst dort durch die Druckleitungen (Fallhöhe 165 m) und trifft auf fünf Francis-Turbinen-Sätze.

Das Kraftwerk ist über eine eigens errichtete Eisenfachwerk-Brücke von der Strasse sowie nahen Fahrradpiste erreichbar.
Die Anlage ist seit 1973 automatisiert und ferngesteuert.

Ein erster weitgehend unbekannter Entwurf vom Kraftwerk stammt von Prof. Clemens Holzmeister, u.a. Erbauer des Salzburger Festspielhauses, und wird in der Wiener Albertina verwahrt. Am Beispiel dieses Kraftwerks kann der bewegte Zeithintergrund sowie kulturelle und architekturgeschichtliche Bezug ausgeleuchtet werden.


Aktueller Zustand:
      betriebstüchtig
Für Publikum zugänglich:
      Ja
Baudaten:
      Baubeginn: 00-00-1926
      Inbetriebnahme: 24-12-1929
      AuftraggeberIn: SIDI (Società idroelettrica dell'Isarco) später SIP (Società Idroelettrica del Piemonte)
      Projektant/Erfinder: Gaetano Ganassini (technisches Projekt); Eugenio Mollino (Architektur Krafthaus)

Offen von:
      10:12:00
Panorama

Die Technikkathedrale von Kardaun (BZ) behrrscht mit den mächtigen Druckrohrleitungen den nordöstlichen Bozner Talkessel und schmiegt sich. der hier etwas steil abfallenden Eisacktaler Hügellandschaft folgend, in das fast immergrüne, von Porphyrfelsen durchzogene Ambiente ein. Nur die gegen die Talsohle hin im jahreszeitlichen Wechsel farbigen Rebanlagen geben besonders im Winter den Blick auf die Rohre frei. Des Nachts bilden die in dezentes Licht getauchten Leitungen eine besondere Kulisse.

Das Kraftwerk, Wahrzeichen für jeden, der von Norden kommend, Richtung Süden fährt, oder die Südtiroler Landeshauptstadt verlässt, um den nächst gelegenen Ort Blumau zu erreichen, ist direkt am Eisacktaler Fahrradweg gelegen. Auf der gegenüberliegenden Talseite befindet sich auf einem wilden Felsvorsprung Schloss Karneid mit restaurierter Schlosskapelle (Mai 2005).

Wesentlich früher gebaut wurde das Etschwerke-Kraftwerk "Bozen", das die schäumenden Wasser des Eggentaler Bachs nutzt. Bereits 1901 lieferte der Pionierbau ans Netz. Das kleine Technikjuwel, am Eingang der wilden Eggentaler Schlucht, hat das Zeug zum Besucherkraftwerk. Gleich ums Eck, bequem über den Fahrradweg erreichbar, befindet sich die Kohlerer Seilbahn, weltweit ein Unikat technischen Fortschritts.

Von Kardaun aus führt auch der uralte "Kunter-Weg" (1314 fürstliche Wegverleihung), ein zu Zeiten, als die Brennerstaatsstrasse noch ein Wunschtraum war, vielbenutzter Handelsweg weiter nach Atzwang und Klausen. Die Gemeinde Karneid bemüht sich den historisch bedeutsamen Verbindungsweg aufzuwerten. "Von Kardaun nach Blumau: Der Kuntersweg startete bei der Brücke über den Eisack Feygenstein, später Feigenbrücke dort, wo auch heute die Brennerstrasse bei Kardaun den Eisack überquert, bevor er den Eggentalerbach aufnimmt. " Norbert Mumelter, "Der Kuntersweg", hrsg. Gemeinde Karneid, 1984
Anfahrt
A22, Autobahnausfahrt Bozen Nord, Richtung Bozen, am ersten Verkehrskreisel Richtung Rentsch oder Ritten fahren. Der alten Brennerstaatsstrasse folgend, auf der Höhe der Eisenfachwerkbrücke (Baujahr 1925) zum Kraftwerk rechts abbiegen.

Wegbeschreibung


Technik

Am 15. Dezember 1931 wurde im Enel-Werk in Kardaun die Abnahme der damals grössten Kraftzentrale Europas durchgeführt. In den Jahren vorher waren an die 5000 Arbeiter auf der Mega-Baustelle beschäftigt, die in ihren einzelnen Bauabschnitten vorbildhaft dokumentiert wurde, unter anderem durch einen Schwarz-Weiss-Film des Istituto Luce in Rom. Das Kraftwerk mit einer Jahresproduktion von 579.294.000 kWh (1948) war Experimentierfeld für verschiedene Pionierleistungen, die dann beim Bau anderer Kraftwerke im oberitalienischen Raum wieder umgesetzt und verfeinert wurden. Heute produziert das Werk mit seinen 5 Francis-Turbinensätzen vergleichsweise 700 GWh, zirka 12 Prozent der gesamten Stromproduktion von Trentino-Südtirol und 6,2 Prozent des Enel-Stroms aus Wasserkraft im Triveneto.









Geschichte

Wirtschaftskrimi Anno 1911
„Das Projekt eines Münchners von Italien übernommen.“
Juni 1908, eine Hitzewelle suchte Südtirol heim. Waidbruck ist Schauplatz einer umfangreichen und groß angelegten wasserrechtlichen Verhandlung über das Projekt des Münchner Bauunternehmens „Sager & Wörner“ für das Elektrizitätswerk bei Kardaun, und zwar zum Zwecke der Gewinnung von „ Stickstoff bzw. zur Erzeugung von Salpeter“. Alles, was Rang und Namen hatte, was in irgendeiner Weise durch die anstehenden Fakten involviert war, saß mit am Verhandlungstisch. Schließlich sollte ein Projekt von noch nie da gewesener Dimension umgesetzt werden. Das halbe Eisacktal war in Aufregung, denn das Jahrhundertprojekt stellte einen gewaltigen Eingriff in die Landschaft dar. Neben den Vertretern des bayrischen Bauunternehmens, denen der Münchner Technikpionier Oskar von Miller kein Unbekannter war, waren außerdem anwesend: Emil March als behördlicher Sachverständiger; Bauoberkommissär Emil Gaertner, entsandt von der k. k. Staatseisenbahnverwaltung; Alfred Mitschel für die k. k. Straßenverwaltung; Josef Podhaysky, in Vertretung der Direktion der privaten Südbahngesellschaft; Vinzenz Rudolf, Baukommissär und Leiter der Bahnerhaltungssektion Bozen; Ernst Müller für das k. k. hydrographische Zentralbureau sowie der k. k. Statthaltereisekretär Siegfried Podloger. Die Münchner Gruppe – bestehend aus Ingenieur Otto Kurz, Ing. Grüb und Richard Wagner, angeführt von Firmenchef Franz Wörner – wurde von den beiden Advokaten Josef v. Wackernell und Benedikt Pobitzer begleitet. Die Verhandlungen, die sich über mehrere Tage hinzogen, den Betroffenen offenes Mitspracherecht einräumten und dabei Schritt für Schritt die einzelnen Bauabschnitte des geplanten neuen Großkraftwerks unter die Lupe nahmen, waren nicht auf eine „Gutwillaktion“ der Konzessionsbewerber zurückzuführen, sondern – ähnlich wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung – auf die geltende Gesetzgebung aus dem Jahre 1870. Die „Verhandlung an Ort und Stelle“ ging daher auf eine „bezirkshauptmannschaftliche Ausschreibung vom Mai 1908“ zurück.
Die ausführliche Beschreibung der Stauanlage, die den Bau eines elektrisch (und für den Fall auch manuell) angetriebenen Walzwerks quer durch den Eisack sowie eine Einlass-Schleuse, ein Sandfangbecken, einen Sammelkanal im Tunnel und verschiedene Standorte für die Materialdeponien vorsah, dürfte vorerst für Verwunderung und Misstrauen gesorgt haben. Besonders ausführlich dargelegt haben die Fischereiberechtigten ihre Sorgen, die wegen des Niedrigwassers und der teilweisen Trockenlegung des Eisacks ein großes Fischsterben befürchteten. Schadloshaltungen eingefordert haben unter anderem die Grafen Wolkenstein Trostburg, Ludwig Freiherr v. Sternbach, Johann Vonmetz, die Grafen v. Taxis, Bertha Ringler und Peter Rienzner (in Vertretung der Starzer Brückeninteressentschaft), die Gemeinde Kastelruth und viele andere Uferanrainer. Bei so viel Druck, auch von prominenter Seite, hat die Konzessionsbewerberin die Fischereirechte sowie die Wassernutzungsrechte der Betroffenen sichergestellt. Nicht weniger brisant mag der Lokalaugenschein am geplanten Bau der Stollenstraße verlaufen sein, denn –im Protokoll nachzulesen – die Fragen und lauten Proteste der Fraktion Kollmann, samt örtlichem Religionsfond, sowie der Gemeinden Barbian, Saubach, Rotwand und Ritten nahmen, verständlicher Weise, kein Ende. In Kollmann befürchtete man eine Beschädigung der Baulichkeiten aus romanischer Zeit sowie der einzigen von Barbian herführenden Trinkwasserleitung. Große Angst machten den Grundbesitzern der betroffenen Gemeinden die Materialablagerungen, die mit dem Stollenbau unweigerlich verbunden waren, und die Beeinträchtigung von Kulturgrund bzw. der Bewässerungs- und Wegerechte. Daher die Forderungen nach Schadenersatz oder Grundablöse. Der gesamte „mobile“ Lokalaugenschein der Stollenbegehung von Atzwang nach Blumau und von Blumau nach Kardaun wurde an zwei aufeinander folgenden Tagen abgewickelt. In Kardaun selbst wurde schließlich zur ursprünglich neun Rohre zählenden Druckleitung, zur Kraftanlage sowie zum Gesamtprojekt Stellung bezogen. Sämtliche Pläne lagen dazu bereits auf. Besonderen Wert legte man auf Sicherheitsvorkehrungen (verschiedene Schieber für den sofortigen Druckausgleich) und Instandhaltungsmaßnahmen der Anlage. „Die Druckleitungsrohre sollen oberirdisch über den mit Steinblöcken und Schutt überlagerten Berghang bei St. Anna geführt und durch Betonpfeiler die Lagerung und Sicherung der Leitung erreicht werden. Bei einer angepeilten Druckhöhe von 155 m sollen neun Turbinen zu je 8 500 PS durch das niederstürzende Eisackwasser angetrieben werden.“ Genau geplant war auch bereits der Verbindungsweg, „der die Kraftstation von der Reichsstraße“ aus erschließen sollte.
Besonders die vom Kraftwerksbau betroffenen Rittner Bauern fürchteten um ihre Ernte. „[D]er von den fremden Arbeitern angerichtete Schaden an Obst und Feldfrüchten muss von der Unternehmung voll vergütet werden“ und „überhaupt soll die Gemeinde Wächter anstellen“, verlangten Anton Lun – der Unterschweinsteigerbauer von Unterinn –, Karl Ramoser und auch Ferdinand von Miller – Schlossherr von Karneid –, vertreten durch seinen Gutsverwalter Josef Schweigkofler. Ja, der Forderungskatalog riss nicht ab und reichte von den Wasser- und Wegerechten bis hin zum lukrativen Betrieb der Murgruben längs des Eisackufers. Otto Rhomberg, Sägebesitzer in Kampill, befürchtete Störungen seines Sägebetriebs. Er protestierte nicht gegen den Kraftwerksbau, sondern verlangte nur
„Schadloshaltung für den Fall der Fälle“.
Besonders misstrauisch war Wilhelm v. Walther, Vertreter der Gemeinde Bozen: Eine wasserrechtliche Konzession für ein so überdimensionales Projekt könne im Sinne des Tirolischen Wassergesetzes erst dann gewährt werden, wenn der Verwendungszweck der gewonnen Elektrizität klar sei. Von Walther und der Grieser Kurdirektor Emil v. Meissner waren vor allem auch darauf bedacht, „dass zur Erhaltung der Naturschönheiten von Kardaun auch die Baulichkeiten (der Kraftstation) ein Aussehen erhalten, das dem Landschaftsbilde entspricht. Zur Prüfung der Erfüllung dieses Erfordernis ist bei Genehmigung der Pläne der Sachverständige des Landesverbands für Fremdenverkehr in Innsbruck beizuziehen.“
Allein dem Trend ihrer Zeit voraus waren Franz v. Hepperger und Anton Mumelter von der Gemeinde Zwölfmalgreien, die die „großartige Wasserkraftanlage in ihrem Gemeindegebiet begrüßt haben“. Das Kraftwerk erscheint ihnen als ein Projekt von öffentlichem und volkswirtschaftlichem Interesse“, angesichts der baldigen „elektrischen Traktion auf der Bahnlinie Kufstein–Ala“, pflichtete die Delegation der k. k. Südbahn-Gesellschaft bei, allerdings unter Wahrung des „Heimfallrechts an den österreichischen Staat“. Das Projekt müsse in erster Linie Bahnbetriebszwecken dienen. Der Beamte sah Bahndamm und Bahnanlagen durch die Wasserschwankungen stark gefährdet, der Erosionsgefahr ausgesetzt und sprach sich daher gegen die sofortige Konzessionserteilung aus. Detailliertere Pläne über Projekt und Bauverlauf seien Voraussetzung für die Konzessionserteilung, so auch die Straßenverwaltung. Bauunternehmer Wörner entkräftete auch die Befürchtungen einer Stromlieferung an eine Fabrik mit schädlichem Produktionsprozess. Davon sei keine Rede. Als man am 24. Juni 1908 auseinander ging, war der Kraftwerksbau beschlossene Sache. Die Grundeigentümer hatten die Vorverträge für den Verkauf an das Bauunternehmen „Sager & Wörner“ bereits in der Hand, der Statthaltereisekretär kommentierte: „[I]m Großen und Ganzen hat sich die Unmöglichkeit der Durchführung des Projekts nicht ergeben“. „Von Unternehmerseite nachzuliefern seien sämtliche Detailpläne für das Projekt, erst dann könne eine endgültige Baufrist und Konzessionsdauer festgesetzt werden.“ In der Folge wurden vom Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck aufwändige hydrogeologische Gutachten bereitgestellt und die Pläne immer wieder überarbeitet und neu eingestellt.
Der technische Bericht der Firma „Sager & Wörner“ von 1911 sieht plötzlich nur mehr sieben Rohrleitungen vor, die dem Krafthaus zugeführt werden. Das Großprojekt wäre jedenfalls am Vorabend des Ersten Weltkriegs absolut baureif gewesen. Weshalb die Münchner Unternehmer sich mit ihrem bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Großprojekt in Kardaun nicht durchgesetzt haben, geht aus den verblichenen Akten „Kraftwerk Kardaun“ (1911) leider nicht mehr hervor. Aufgrund von Nachforschungen führt eine heisse Spur über die Firma „Sager & Wörner“ zum Bozner Ingenieur Leo Perwanger, der sich bei der Münchner Firma, nach seinem Diplom in Wien (1905) und dem Erhalt des Doktorgrads in München, beruflich erste Sporen verdient hat. Perwanger dürfte als Südtiroler mit dem Kardauner E-Werksprojektanten Otto Kurz in Verbindung gestanden haben und über das Bauvorhaben seines Arbeitgebers bestens informiert gewesen sein. Perwanger, beschlagen im Maschinen- und Turbinenbau, eröffnete 1914 in Bozen sein erstes Büro und war ein sehr erfolgreicher Freiberufler, so der Sohn, Ingenieur Wolfgang Perwanger. Doch die Kriegswirren der kommenden Jahre, der Mangel, der Hunger und die Entbehrungen sowie die Sorge um die Existenz machten jedem Versuch nach technischem und zivilisatorischem Fortschritt einen Strich durch die Rechnung. Nach 1919 war Südtirol ein eigenes, vom Norden getrenntes Territorium, aufgrund der Annexion durch das italienische Königreich aus dem Verbund des alten Kronlandes der Habsburger herausgerissen. Das Annexionsdekret, mit dem die Südtiroler zu einer schutzbedürftigen ethnischen Minderheit in einem fremden Staat wurden, ist am 10. Oktober 1920 in Kraft getreten. In der Gemeindepolitik blieb vorerst alles beim Alten. Die italienische Besatzungsmacht ließ die Gemeindeverwaltungen gewähren. Militärgouverneur Pecori Giraldi wies seine Zivilkommissare an, Kontrollfunktion auszuüben und vor allem in den Städten eine antiitalienische Politik zu unterbinden. Es war der erstbeste Moment nach Kriegsende, als in diesem Klima des Umbruchs und der wirtschaftlichen Veränderungen, noch mit dem deutschfreiheitlichen Bürgermeister Julius Perathoner im Amt, der Bozner Freiberufler Dr. Ing. Leo Perwanger, die an die neuen Erfordernisse adaptierten Münchner Pläne für den Kardauner Kraftwerksbau dem Stadtmagistrat vorgelegt hat. Tatsächlich war Perwanger mittlerweile im Auftrag der Società Trentina di Elettricità Trento unterwegs, als er 1920 das Machbarkeitsprojekt für eine „Wasserableitung zur Stromgewinnung für Industriezwecke am Eisack“ aus der Schublade geholt haben dürfte. Allein die schwierigen Vermessungsarbeiten und die aufwändige detaillierte technische Projekterstellung hätten sehr viel mehr Zeit und Mittel in Anspruch genommen, als damals nach Kriegsende zur Verfügung standen. Die historischen Pläne waren beim Staatsbauamt in Bozen verwahrt, nach dessen Auflassung wurden sie in jüngerer Zeit beim Landesamt für Wasser und Energie deponiert. Diese technischen Pläne wurden im Namen eines Promotorenkomitees der „Società Idroelettrica dell’Alto Adige“ eingereicht, tragen den Stempel „Stadtmagistrat Bozen, 20. II. 1920“ und den handschriftlichen amtlichen Vermerk „Die Schrift ist während der Ediktalfrist beim Stadtmagistrat aufgelegen“, was der damals üblichen Kundmachungsfrist entsprach, innerhalb der Beanstandungen zugelassen waren. Alle Pläne sind von Ing. Perwanger unterschrieben. Leider finden sich weder im Bozner Stadtarchiv noch anderswo Quellen mit Hinweisen auf die Geschehnisse rund um den heißen Auftrag, obwohl das Projekt in Kardaun eigentlich ein Prestigeobjekt war. Vermutlich sind diese Gemeindenotizen, wie viele andere aus dieser Zeit auch, durch das Rote Kreuz vernichtet und eingestampft worden, und zwar wegen des großen Bedarfs an Papier. In den beim Staatsbauamt, heute Landesamt für Wasser und Energie, deponierten Akten findet sich das formelle Konzessionsgesuch der „Società Idroelettrica dell’Alto Adige“ (gegründet am 2. September 1919), in dem „Leone Perwanger“ als Projektant zitiert ist (Februar 1920). Dem Antrag auf Konzession wurde am 29. April 1922 durch den Generalkommissär für die „Venezia Tridentina“ stattgegeben. Dass es sich bei den Konzessionen für Wasserableitungen um einen lukrativen Deal gehandelt haben muss, beweist deren Weitergabe an die „Società Idroelettrica dell’Isarco“ (SIDI, gegründet 21. Dezember 1924). Die Gruppe konnte, als sie im November 1925 neue Konzessionsinhaberin wurde, auf eine stattliche Bankenfinanzierung setzen, vor allem auf den Banco di Roma, die Banca Cattolica Tridentina und die Elektrizitätsgesellschaft SIP (Società Idroelettrica Piemonte). Detail am Rande: Im Verwaltungsrat der SIDI, der Carlo Cicogna vorstand, war auch Terenzio Chiesa vertreten, eine der Schlüsselfiguren, da er gleichzeitig Techniker des Staatsbauamts in Trient und Verwaltungsrat der „Società italiana per l’utilizzazione delle forze idrauliche“ des Veneto war. Chiesa war es auch, der den Perwanger-Entwurf abgeändert und am 6. August 1925 – also drei Monate bevor die SIDI überhaupt neue Konzessionärin wurde –im Namen der SIDI vorgelegt hat. Nur zehn Tage später, am 29. November 1925 wird die Anlage von Kardaun mit königlichem Dekret Nr. 11736 genehmigt. Das Großkraftwerk konnte endlich in Bau gehen. Die Vorbereitungsarbeiten, vor allem die Erdbewegungs- und Aushubarbeiten, waren bereits Monate vorher in Angriff genommen worden.
Das technische Ausführungsprojekt, gezeichnet von Ingenieur Gaetano Ganassini, wurde am 10. Mai 1926 deponiert und dann ausgeführt. Die Kraftstation in „proto-rationalistischer Formensprache“ trägt die Handschrift des Turiner Architekten Eugenio Mollino.
Allein ein Artikel, der dem Kuratorium vom Nachfolger der Firma „Sager & Wörner“, der heutigen Walter-Heilit-Verkehrswegebau GmbH München, samt allen Originalplänen und Protokollen zum Kardauner Kraftwerksbau kürzlich übergeben wurde, lässt der Enttäuschung freien Lauf. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, heißt es in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 07. September 1929: „Das Projekt eines Münchners von Italien übernommen. […] Nach dreijähriger Bauzeit wurde das derzeit größte Kraftwerk Europas in Betrieb gesetzt, das den Eisack zwischen Waidbruck und Bozen durch einen 14,5 km langen Tunnel über ein Gefälle von 170 m ausnützt. Das Projekt stammt von Ing. Otto Kurz in München, der schon 1906 die Bauunternehmung „Sager & Wörner“ dafür interessierte. Nach der Übernahme Südtirols eigneten sich die Italiener das bei der Bozener Baubehörde liegende Projekt an und führten es nun durch, ohne dass der Projektverfasser irgendwelche Entschädigung erhielt.“ Wirtschaftsspionage Anno 1911 oder der Normalfall in der Zwischenkriegszeit?

Wittfrida Mitterer
aus "Widerstand und Megawatt", Athesia 2004



Die Zeitzeugendiskussion "Im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Technikkultur" in der Maschinenhalle des Kraftwerkes Kardaun am 27. Mai 2004 und der anschließende Tag der offenen Tür lösten Interesse am fast vergessenen gemeinsamem Atelier der Architekten Clemens Holzmeister und Luis Trenker aus, allzumal sich Holzmeister im Jahre 1923 am Wettbewerb für den Kraftwerksbau beteiligte.

Kontakt

Enel Bozen
Dantestrasse 2 A
39100 Bozen
Tel: 0471 300024
Fax: 0471 1992100
E-mail: lorenzo.cattani@enel.it
Webseite: http://www.enel.it


Fotogalerie

imgYt4qiQ.jpgKraftwerk Kardaun in festlicher Abend-Stimmung
Anlässlich der Vernissage der Ausstellung \"Megawatt und Widerstand\" hat sich das Kraftwerk \"in Schale\" geworfen. Die Druckrohrleitungen werden während der Fotoschau beleuchtet.
AutorIn/Copyright:Graziano Marcello, Enel
imgmV2tgY.jpgJeder der fünf Generatoren produziert bis zu maximal 35.000 KW
Jeder der fünf Generatoren produziert bis zu maximal 35.000 KW.
AutorIn/Copyright:Foto Pedrotti, Bozen für Enel
img6RSa0x.jpgEnel-Grosskraftwerk \"Carlo Cicogna\" Kardaun-Bozen
Das Enel-Kraftwerk in Kardaun beherrscht mit den mächtigen Druckleitungen das Landschaftsbild des Eisacktals im Norden von Bozen. Das 1929 nach Ing. Carlo Cicogna benannte und nach Plànen von Ing. Gaetano Ganassini gebaute Kraftwerk war seinerzeit das grösste Europas. Ein erster weitegehend unbekannter Entwurf vom Wasserschloss stammt von Prof. Clemens Holzmeister und wird in der Wiener Albertina verwahrt.
AutorIn/Copyright:Foto Graziano Marcello
imgXYImWg.jpgGesamtansicht
Gesamtansicht der Kraftwerksanlage mit Wasserschloss, Druckleitung, Krafthaus und Umspannanlage. Usprünglich verliefen sechs Druckleitungen vom Wasserschloss zum Werk, eine führte zu einem Maschinensatz, der Wechselstrom mit der Frequenz 16 2/3 Hz für die Eisenbahn produzierte. Dieser Maschinensatz ist inzwischen stillgelegt und die Druckleitung abgebaut.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imggXnIkE.jpgUmspannwerk
Im Umspannwerk wird die von den Generatoren gelieferte Spannung von 10.000 V auf 230.000 V transformiert, bevor die elektrische Energie ins Stromnetz eingespeist wird.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgeG7cE9.jpgBeginn der Bauarbeiten in Kardaun
Die ersten Fudamente werden gegossen.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgNRcb78.jpgStollenbau 1
Verlegung der Eisenbewehrungen im Freiwasserstollen von Waidbruck nach Kardaun. Im Gegensatz zu heute werden viele Arbeiten noch manuell durchgeführt. Durch den Stollen können über 80 m³ Wasser je Sekunde fließen.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgEM1BpX.jpgBaugeschichte 1
Gesamtübersicht der Kraftwerksanlage kurz vor der Vollendung.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgVD4wSw.jpgBaustelle Beruhigungsbecken
Bauarbeiten am Beruhigungsbecken bei Waidbruck.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgekJeXx.jpgUmspannwerk für die Eisenbahn
Das nicht mehr vorhandene Umspannwerk auf 65 kV und 16 2/3 Hertz für die Stromversorgung der Eisenbahn. Im Hintergrund ist auch die inzwischen entfernte sechste Druckleitung zu erkennen.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgtNvp41.jpgStollenbau 2
Arbeiter bei der Innenverkleidung des Freiwasserstollens.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgw7PMuP.jpgRohbau Krafthaus
Noch ist der Rohbau nicht vollendet.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgioHGIZ.jpgKraftwerksgelände
Das Kraftwerksgelände vor Beginn der Bauarbeiten. Erdbewegungen wurden schon vor allem im Bereich der Druckrohrtrasse durchgeführt.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgkjOGKA.jpgKraftwerksgelände 2
Erste Arbeiten im Kraftwerksgelände. Dem Kraftwerk mussten die Gebäude im Hintergrund weichen.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgQMGEe4.jpgBau Brücke
Um das Werk erreichen zu können, wurde eine Stahlbrücke (Fachwerkbau) über den Eisack gebaut.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgpby4O5.jpgEisenbahn
Im Gegensatz zu heute wurde bei der Erbauung des Kraftwerkes fast alles Material und insbesondere die Maschinen mit der Eisenbahn, die über die Stahlbrücke direkt ins Werksgelände fahren konnte, angeliefert.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgMBY6Ih.jpgBlick zum Wasserschloss
Blick vom Rohbau des Krafthauses über die Druckrohrtrasse zum Rohbau des Wasserschlosses. Auf der linken Seite ist ein teilweise verlegtes Druckrohr zu erkennen.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgEA25pD.jpgBauarbeiten am Wasserschloss
Letzte Arbeiten im Bereich des Wasserschlosses.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgEv0BMy.jpgBau Druckrohrtrasse
Die Druckrohrtrasse verlief teilweise im felsigen Gelände. Der Untergrund musste mit aufwändigen Betonbauten stabilisiert werden.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgGroi7E.jpgEinbau der Druckrohre
Verlegung der Druckrohre im untersten Bereich der Druckleitung, d.h. unmittelbar vor der Einmündung ins Kraftwerk.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgKVPsdG.jpgBauarbeiten Ausfluss
Während der Erbauung der Wasserrückgabe an den Eisack.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgCXLN9E.jpgTeil einer Francisturbine
Ein Teil einer Francisturbine vor dem Einbau.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
img4Dq3u5.jpgEinbau Francisturbine
Eine der riesigen Francisturbinen ist gerade installiert worden.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgNd3G8k.jpgBau Wasserbecken
Sperre und Schleusen des Rückhaltebeckens in Kollman (Waidbruck) sind gerade fertiggestellt worden, das Wasser kann gestaut werden.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
img8qL7xG.jpgMussolini
Mussolini bei der Besichtigung des Kraftwerkes während seiner Erbauung. Die faschistische Regierung unternahm große Anstrengungen, durch intensive Nutzung der Wasserkraft besonders in Südtirol die Industrialisierung der Poebene voranzutreiben.
AutorIn/Copyright:Foto Pedrotti, Bozen.
imgIwEpgY.jpgBau der Schleusen
Wasserausfluss und Schleusen sind fertiggestellt.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgW8lhhC.jpgKurz vor der Vollendung
Die Kraftwerksanlage kurz vor der Vollendung. Das Krafthaus ist inzwischen fertiggestellt, nur bei der Druckrohrleitung sind die Arbeiten ins Stocken geraten: es wird gerade erst die dritte Leitung verlegt.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgaXTWV9.jpgKrafthaus 1
Das Krafthaus nach seiner Fertigstellung.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
imgByUoOC.jpgGeneratorhalle
Die Generatorhalle mit den Drehstromgeneratoren. Zu jeder der ursprünglich sechs Francisturbinen gehört ein eigener Generator.
AutorIn/Copyright:Archiv Technikmuseum und Enel, Bozen.
extTcci2B.jpgPlan Krafthaus
Handkolorierter Originalplan des Krafthauses.
AutorIn/Copyright: Archiv des Landesamtes für Wassernutzung, Bozen
ext8XqJZk.jpgPlan Turbine 1
Technischer Plan des Einlaufrohres, der Francisturbine und des Generators.
AutorIn/Copyright: Copyright: Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
ext2w7aMB.jpgTechnischer Plan Krafthaus
Plan des Krafthauses (Querschnitt).
AutorIn/Copyright: Copyright: Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
extTgYqEf.jpgPlan Krafthaus und Wasserrückgabe.
Technischer Plan des Krafthauses und des Wasserausflusses.
AutorIn/Copyright: Copyright: Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.
extcFkSpW.jpgPlan Wasserfassung
Handkolorierter Plan der Wasserfassung bei Kollmann (Waidbruck).
AutorIn/Copyright: Copyright: Archiv Technikmuseum und ENEL, Bozen.


Literatur

Megawatt und Widerstand, Technische Kulturgüter im Rampenlicht
Südtirols Gross-Kraftwerke aus der Gründer-Ära im Spannungsfeld zwischen Zeitgeschichte und Technikkultur werden erstmals in dieser Publikation unter die Lupe genommen. Am Beispiel der bislang unerforschten Entstehungsgeschichte des Eisack-Kraftwerks von Kardaun - in den 30er Jahren eine Technik-Kathedrale der Rekorde - werden der bewegte und vielschichtige Zeithintergrund ausgeleuchtet und kultur- und architekturgeschichtlich interessante Bezüge hergestellt. Ein erster weitgehend unbekannter Entwurf für das Krafthaus stammt von Prof. Clemens Holzmeister und wird in der Wiener Albertina verwahrt.
Das Kraftwerk in Kardaun beherrscht mit den mächtigen Druckleitungen das Landschaftsbild des Eisacktals im Norden von Bozen. Das 1929 nach Carlo Cicogna benannte, nach Erst-Entwürfen der Münchner Bauunternehmung Sager & Wörner (1911) und im Faschismus nach dem Ausführungsprojekt von Gaetano Ganassini gebaute Kraftwerk, war seinerzeit das grösste Europas. Das technische Know-How von Kardaun, im Fadenkreuz von Politik und Wirtschaftsinteressen, wurde später in weiteren Grosskraftwerksbauten umgesetzt.
Die staatlichen Grosserschliessungen sind von der Fotografenfamilie Pedrotti, Pioniere der Industrierfotografie, über Jahrzehnte hinweg festgehalten worden. Diese historischen Fotodokumente bilden den Grundstein für wertvollste Archivbestände. Eine Auswahl davon sorgt im vorliegenden Band für ein neues Seherlebnis
AutorIn: E. Baumgartner, H.Schwazer, G. Waibl, H.Heiss, W. Posch, W. Mitterer, L. Cattani, A.Stiller, E.Frangipane, D.Bartenbach, U. Sasso
Herausgeber/Zeitschrift: Witti Mitterer, Kuratorium f. technische Kulturgüter, Bozen
Verlag: Athesia-Verlag
Erscheinungsort: Bozen
Erscheinungdatum: 16-12-2004


Artikel - Presse

Holzmeister und Trenker, Architekten in Bozen und das Kraftwerk Kardaun.
Holzmeister-Biograph und Professor für Gestaltung an der Universität Linz, Willfried Posch, analysiert anhand eines in der Wiener Albertina verwahrten Entwurfs für den Bau des Kraftwerks von Kardaun die Beziehung von Architekt Clemes Holzmeisters zu Südtirol. Nachzulesen im Buch "Megawatt und Widerstand" (Kuratorium f. technische Kulturgüter), Athesia-Verlag 2004.
Was führte den Nordtiroler mit dem Südtiroler zusammen? Clemens Holzmeister wurde sechs Jahre vor Luis Trenker, im Jahre 1886 in Fulpmes im Stubaital, geboren; Luis kam 1892 in St. Ulrich im Grödnertal zur Welt. Luis besuchte die Volksschule in St. Ulrich, die dreiklassige Bürgerschule Josefinum und die zweijährige Bau- und Kunsthandwerkerschule in Bozen, danach von 1905 bis 1912 die k. k. Oberrealschule in Innsbruck. An dieser Schule maturierte im Jahre 1906 Clemens Holzmeister; sie besuchten also beide ein Jahr lang dieselbe Schule. Clemens und Luis lernten sich dort oder im Hause des Tessiner Unternehmers Domenikus Bridarolli kennen. Dieser hatte, als Einwanderer mit einer Kärntnerin verheiratet, in Innsbruck einen bedeutenden Wasserversorgungs- und Installationsbetrieb aufgebaut und es zu Reichtum und Ansehen gebracht. Er plante und baute in rund sechzig Gemeinden Tirols Hochdruckwasserleitungsanlagen und war auch auf allen Gebieten des Installationswesens tätig. Er führte ein offenes, sehr gastfreundliches Haus, in dem etliche Jahre Clemens Holzmeister verkehrte, der Bridarollis Tochter Judith verehrte. Auf irgendwelchen Wegen fand sich dort auch der junge Realschüler Luis Trenker ein, der ebenfalls an Judith Gefallen fand; diese entschied sich jedoch für Clemens, im Jänner 1913 wurde in Innsbruck-Wilten geheiratet. Ein Jahr davor, im Oktober 1912, war Luis seinem Freunde Clemens an die k. k. Technische Hochschule nach Wien gefolgt, um dort auch Architektur zu studieren. Im Jahre 1913 schloss Holzmeister sein Studium ab und bekam durch Professor Max Freiherr von Ferstel eine Assistentenstelle. Luis hatte also in Wien einen Freund, der ihm manchen guten Rat für das Studium geben konnte. Doch ist in diesem Zusammenhang noch ein Dritter zu nennen: Alfons Walde, aus Kitzbühel kommend, besuchte in Innsbruck von 1903 bis 1910 auch die Oberrealschule und begann danach ebenfalls an der Technischen Hochschule in Wien Architektur zu studieren. Trenker, Holzmeister und Walde, die beiden letzteren ab 1930 am Hahnenkamm durch ihre Berghäuser Nachbarn, blieben einander ihr Leben lang freundschaftlich verbunden und versuchten sich, immer wieder auch zu helfen, obwohl sie von Charakter, Temperament und Weltanschauung sehr verschieden waren.

Trenkers Weg über Wien und Graz zum Architekten
Im ersten Studienjahr (1912/13) hat Trenker an der TH Wien acht Prüfungen abgelegt. Im darauf folgenden Studienjahr (1913/14) übersiedelte er an die TH nach Graz. Diese Veränderung hängt möglicherweise mit folgenden Umständen zusammen: In den Matrikeln der TH Wien ist die Erfolgsspalte in zwei Fächern frei geblieben: Mathematik und Darstellende Geometrie. In den Grazer Matrikeln ist bei beiden Fächern vermerkt, dass die Frequenz der Vorlesungen an der TH Wien stattgefunden hat, die Prüfungen jedoch in Graz mit gutem Erfolg abgelegt worden sind. Bezüglich der Mathematikprüfung ist sogar von Graz aus in Wien angefragt worden. Der Rektor der TH Wien antwortete am 13. März 1914, dass gegen die Ablegung der Nachtragsprüfung aus Elemente der höheren Mathematik seitens des Studierenden Luis Trenker h. o. kein Anstand obwaltet. Außer diesen Prüfungen legte Trenker vier weitere Prüfungen ab, ehe er am 14. Juli 1914 seinen Austritt aus der Hochschule meldete. Am 28. Juni 1914 waren in Sarajevo der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau erschossen worden. Die Monarchie schlitterte in den letzten großen Krieg.
Trenker wird Soldat. Er kämpft in Galizien und Kongresspolen, wird zum Reserveoffizier ausgebildet. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 wird er an der Südfront im Sperrfort Verle auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden eingesetzt. Er erlebt den Krieg in den Dolomiten, erleidet einen Schulterdurchschuss, wird schließlich Ausbilder in der Hochgebirgsschule, Oberleutnant und mehrfach ausgezeichnet und 1917 Platzkommandant von Cortina d'Ampezzo. Einen Studienurlaub benützt er, um an der TH Wien im Sommersemester 1918 und im Wintersemester 1918/19 neuerlich zu inskribieren und zwei weitere Prüfungen abzulegen.
Im November 1918 brechen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich zusammen, der Vielvölkerstaat fällt auseinander. Deutsch-Österreich erklärt sich zum Bestandteil der Deutschen Republik, Südtirol fällt an das Königreich Italien. Über die Nachkriegswirren schreibt Trenker in seinen Lebenserinnerungen: "Ich hatte weder Beruf noch Aussicht auf Arbeit und Verdienst. Der Krieg hatte mich mitten aus meinem Studium gerissen. Wien war weit und die Verwirrung zu groß, als dass ich gleich an eine Fortsetzung der Studien hätte denken können. Als Bergführer und Skilehrer ließ sich auch kein Geld verdienen. Kein Tourist kam in diesen Jahren in unsere Gegend. So half ich dem Vater in der Werkstatt bei seiner Arbeit; denn soviel hatte ich doch gelernt, dass ich da und dort zugreifen konnte."
Trenker versuchte sich als Kaufmann, wo er mit viel Glück manches Abenteuer überstand, aber schließlich doch scheiterte. Erst im Sommersemester 1922 nimmt er wieder sein Studium an der TH Graz auf. Da es für Frontsoldaten, durch einen Erlass des Staatsamtes für Inneres und Unterricht in Wien vom Juli 1919, Studienerleichterungen gab, richtete Trenker An das Hohe Professorenkollegium der Technischen Hochschule in Graz am 03. Mai 1922 ein Gesuch. "Gefertigter bittet um die Kriegsteilnehmerbegünstigung und begründet seine Bitte folgendermaßen: Fünfjähriger Frontdienst, einmal verwundet, gefangen von den Italienern, Vater ebenfalls als Tiroler Standschütze eingerückt. Beim Zusammenbruche und der darauf folgenden italienischen Besetzung haben seine Eltern alles verloren. Die Mutter und sechs kleine Geschwister des Gesuchstellers bedürften dringender Hilfe, weil der Vater durch die Kriegsstrapazen erwerbsunfähig wurde. Über das Ärgste hinweg ist es dem Gefertigten nun möglich, seine Studien zu beenden. Die erste Staatsprüfung hat er bereits 1918 in Wien abgelegt. Es wird an das Hohe Kollegium nochmals die Bitte gerichtet, die Erleichterungen zu gewähren, schon auch dem Umstande Rechnung tragend, dass die Südtiroler an und für sich, ihrer deutschen Heimat beraubt, unter Italiens Herrschaft außerordentlich bitteren Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Ergebenst gefertigter Luis Trenker."
Bei der Schilderung seiner familiären Verhältnisse griff Luis Trenker wie später oft bei seinen Filmen; zum Mittel der Überzeichnung. In der 1992 unter Mitwirkung seiner Söhne Florian und Ferdinand von Stefan König geschriebenen Trenker-Biografie ist über Luis Vater Jakob zu lesen, dass er wohlbehalten aus dem Kriege zurückgekehrt sei. Natürlich waren die Jahre nach 1918 für Jakob, der eine kleine Werkstätte für Vergoldung und Fassmalerei betrieb, wegen des kriegsbedingten Zusammenbruchs der Holzschnitzerei und des Kunsthandwerks im Grödnertal sehr schwierige, aber man hatte nicht alles verloren. Am merkwürdigsten in diesem Ansuchen ist die Behauptung, er habe die erste Staatsprüfung bereits 1918 in Wien abgelegt. Ob dies wider besseres Wissen oder im guten Glauben geschehen ist, kann nicht mehr geklärt werden. An der TH Wien ist diese Prüfung nicht nachweisbar. Am 06. Juni 1922 bekommt Luis Trenker vom Rektor der TH Graz den Bescheid: Das Professorenkollegium hat ihn seiner Sitzung am 01. Juni 1922 Ihnen in Würdigung der vorgebrachten Gründe die Studienerleichterungen als Kriegsteilnehmer zuerkannt: jedoch auch ausdrücklich die Wirksamkeitsdauer dieser Studienerleichterungen mit Ende Juli 1923 beschränkt.
Nur zwei Tage später macht Dekan Dr. Schüssler in den Matrikeln der TH Graz die Eintragung: "Herr Trenker Luis hat heute die I. Staatsprüfung an der Hochbauschule bestanden. Graz, 08. Juni 1922." Sollte Luis einen Monat davor nicht gewusst haben, dass er diese Prüfung erst machen musste?
Trenker studiert im Studienjahr 1922/23 zügig weiter, rund zwanzig Prüfungen sind noch abzulegen, wobei er meist mit "sehr gut" oder "gut", einige Male auch mit "vorzüglich" abschließt. Am 12. Juni 1923 besteht er fristgerecht die II. Staatsprüfung und ist damit diplomierter Ingenieur. Trenker blieb der TH Graz auch nach seinem Studienabschluss verbunden. So findet sich sein Name in der Liste der "Alten Herren", des "Akademischen Architekten-Vereines an der Technischen Hochschule in Graz" aus dem Jahre 1925.

Holzmeister und Trenker: Stufen zu Erfolg und Zusammenarbeit
Die Forschungen über das Atelier der beiden Freunde stützen sich vorerst weitgehend auf Sekundärquellen, wobei die Zeitangaben vielfach schwanken. Die Gründung ist um die Jahreswende 1923/24 anzusetzen, also unmittelbar nach dem Studienabschluss Trenkers in Graz. Das Büro war in einem Haus an der Nordostecke des Waltherplatzes im Herzen Bozens in bester Lage untergebracht. Trenker begann mit großem Eifer und großer Liebe zum Architektenberuf. Es gelang ihm sehr schnell, zu Aufträgen zu kommen. Da er bald auch größere Aufgaben übertragen bekam, bot er seinem Freund Clemens Holzmeister eine Partnerschaft an, die dieser freudig annahm.
Holzmeister hatte es in den Jahren davor weit gebracht und schon ein hohes Maß an Erfolg erreichen können. Seine bei Kriegsausbruch wiederentdeckte brasilianische Staatsbürgerschaft (sein Vater war von Tirol nach Brasilien und wieder zurück gewandert) verschonte ihn vor dem Militärdienst. Die sechs Jahre von 1912 bis 1919 als Assistent an der TH Wien nützte Holzmeister, um sich weiterzubilden. Nebenberuflich machte er sich durch mannigfache Tätigkeiten wie als Leiter der Bauberatungsstelle des Vereins "Deutsche Heimat" und das Veröffentlichen zeichnerischer Werke in den Kreisen der Wiener Künstlerschaft bekannt. Im Juni 1919 promovierte er zum Doktor der Technischen Wissenschaften. Danach ließ er sich im Juli 1919 in den Heimatverband der Gemeinde Fulpmes aufnehmen und wurde so österreichischer Staatsbürger.
Der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie im November 1918 brachte für Wien die wohl größte Wende in seiner Geschichte. Aus der Reichshaupt- und Residenzstadt eines 53 Millionen Reiches wurde eine Stadt, deren politische und rechtliche Stellung im Staate Deutsch-Österreich unklar war, die das wirtschaftliche Hinterland verloren hatte und deren Handelsverbindungen abgeschnitten waren. Die rund zwei Millionen Einwohner Wiens, die nun fast ein Drittel der Bevölkerung der kleinen Republik ausmachten, waren von 1915 bis Mitte 1919 einer Blockade durch die Alliierten ausgesetzt. Dies führte auf dem Gebiete der Ernährung, der Energie (Kohle, Strom) und des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, vor allem durch die Tuberkulose, zu einer Belastungsprobe auf Sein oder Nichtsein. Wien war zu einer sterbenden Stadt geworden.
Holzmeister zog es in seine Heimat zurück, obwohl sein Vertrag als Assistent im Oktober 1919 bis September 1921 verlängert worden war. Doch auch Tirol durchlebte durch die Abtrennung des südlichen Landesteils und die allgemeine wirtschaftliche Not unruhige Zeiten. Trotzdem sah er in Tirol eingebettet in seinen Familien- und Bekanntenkreis bessere Lebensmöglichkeiten als in Wien. Seine Anstellung an der Staatsgewerbeschule in Innsbruck, Abteilung Baufachschule, verdankte Holzmeister dem Vorschlag des Direktors Rudolf Schober, den er als Studienfreund von der Technischen Hochschule her kannte. Zunächst arbeitete er als Hilfslehrer auf Honorarbasis (ab Jahresbeginn), die Ernennung zum &wirklichen Lehrer für die bautechnischen Fächer erfolgte am 01. Mai 1920.
In dieser Zeit veranstaltete Holzmeister eine Ausstellung seiner Entwurfszeichnungen in der Galerie Unterberger in Innsbruck. Sie brachte ihm mehrfachen Erfolg. In der Zeitschrift "Der Architekt" erschien eine erste ausführliche Würdigung Holzmeisters aus der Feder von Dagobert Frey. Dieser hatte Architektur und Kunstgeschichte studiert, war seit 1913/14 Privatdozent für Architekturgeschichte an der TH Wien und kannte Holzmeister. Nach österreichischer Sitte titulierte er Holzmeister, der nun auf heimatlichem Boden nach den Wiener Lehrjahren wieder zu sich selbst gefunden habe, in seinem Aufsatz wegen seiner Lehrtätigkeit an der Staatsgewerbeschule bereits als Professor, obwohl ihm dieser Titel nicht zustand. Holzmeister verstehe es zwar, an die bodenständigen Bautypen anzuknüpfen, doch verwirkliche er ohne kleinliche Nachahmung neue Baugedanken. Frey beobachtete an ihm einen gewaltigen inneren Drang zur Monumentalität: "In dem er den traditionellen Baugedanken aus Alltäglichem heraushebt und ins Pathetisch-Heroische steigert, gibt er ihm neue, ureigene Form. Es ist jene resolute Kraft und Tiroler Eigenart, die an Egger-Lienz und Schönherr erinnert."
Der größte Erfolg Holzmeisters war jedoch, dass durch diese Ausstellung seine guten Beziehungen zum römisch-katholischen Klerus begründet wurden. Der Weihbischof von Brixen und Generalvikar von Vorarlberg, Dr. Sigismund Waitz, besuchte die Ausstellung und war von Holzmeisters Werken sehr beeindruckt. Waitz war einer der markantesten Kleriker der Ersten Republik. In Brixen geboren, war er ein kämpferischer Tiroler, der sich nach 1918 für die Erhaltung der Einheit des Landes Tirol einsetzte und damals in Rom die Teilung der Diözese Brixen mit Erfolg verhindern konnte. Er wurde am 21. April 1921 lediglich zum apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch ernannt.
Waitz hatte eine Beziehung zum Bauen. Nach 1900 war er gewählter Gemeinderat in Brixen und setze den Bau eines neuen Krankenhauses durch. Wie Holzmeister hatte er einen Bruder, der im Jesuitenorden tätig war. Holzmeisters Halbbruder Urban hatte es zum Professor an der Gregorianischen Universität in Rom gebracht und war ein bedeutender Bibelforscher. Waitz ließ Holzmeister 1920 zu sich rufen und bat ihn nach Batschuns bei Rankweil, wo er ein Problem sah. Dort hatte ein Baumeister begonnen, eine neugotische Kirche zu bauen. Holzmeister machte rasch einen Gegenentwurf, der das Wohlwollen des Bischofs fand und bekam so seinen ersten Auftrag von der Kirche, dem viele weitere folgen sollten.

Auf der anderen Seite förderten die Wiener Sozialdemokraten ganz entscheidend Holzmeisters Karriere. Die Gemeinde Wien schrieb im März 1921 einen Wettbewerb zur Erlangung von Plänen für eine Feuerbestattungsanlage auf dem Wiener Zentralfriedhofe aus. Holzmeister beteiligte sich an diesem Wettbewerb, errang aber nur einen dritten Preis. Damit trat für ihn dennoch eine Lebenswende ein. Seine Karriere zwischen Kunst und Politik nahm ihren Anfang.
Die römisch-katholische Kirche sah die Feuerbestattungsbewegung als Teil der durch den Liberalismus verstärkten Säkularisierungsbewegung an. Am 19. Mai 1866 erließ sie ein Verbot der Feuerbestattung und hielt daran bis zum II. Vatikanischen Konzil im Jahre 1964 fest. Die Leichenverbrennung wurde als heidnische Sitte bekämpft, die wiedereinzuführen ein Anliegen von Menschen zweifelhaften Charakters sei, die der freimaurerischen Sekte angehörten. Die Strafen bei Verstößen waren hart, sie reichten von der Verweigerung der Einsegnung bei Begräbnissen bis zur Exkommunikation. Der ausschlaggebende Mann bei der Entscheidung für Holzmeisters Beauftragung mit der Planung des Krematoriums war der amtsführende Stadtrat Franz Siegel, neben Bürgermeister Jakob Reumann der einflussreichste Politiker des "Roten Wien". Siegel setzte sich mit großer Umsicht in den Ausschüssen und im Gemeinderat für Holzmeister ein. Die Christlichsozialen und auch die Zentralvereinigung der Architekten wirkten gegen Holzmeister.

Die Sozialdemokraten feierten diesen Bau als großen Erfolg ihrer Kulturpolitik, ihres Kulturkampfes. Sie bemühten sich hier, über die Parteigrenzen hinweg, auch als Sachwalter des liberalen Erbes zu erscheinen und arbeiteten dabei in antiklerikaler Übereinstimmung mit den Gemeinderäten und Abgeordneten der Großdeutschen Volkspartei zusammen. Holzmeister wurde zwar einerseits durch diesen Bau und die heftigen Auseinandersetzungen bekannter, hatte andererseits aber auch Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche, wobei sein Halbbruder Urban ihm mit einer entlastenden Stellungnahme der Gregorianischen Universität in Rom half. Auch mit Bischof Dr. Sigismund Waitz hatte Holzmeister diesbezügliche Gespräche geführt.
Er wurde mit seinem Werk um die Jahreswende 1922/23 der Öffentlichkeit in Wien, ja in ganz Österreich, schlagartig zum Begriff. Allgemein wurde er in den Zeitungen schon fast immer als "Professor" bezeichnet. So bemerkte das "Neue Wiener Tagblatt" im Jänner 1923, dass der Entwurf "von dem schon mehrmals in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Architekten Professor Dr. Clemens Holzmeister aus Innsbruck" stamme. War der Bau in einer Zeit so großer Not an sich schon etwas besonderes, so stieg das allgemeine Interesse durch die bis Juni 1923 dauernden, teilweise grotesken Versuche der Christlichsozialen in der Bundesregierung, den Betrieb des Krematoriums zu unterbinden, weiter an.
Wie sehr diese Frage auch Südtirol beschäftigt hat, zeigt ein Artikel über die Leichenverbrennung in der "Bozener Tageszeitung", im "Tiroler Volksblatt" vom März 1923, wo ausführlich auf die theologischen, philosophischen, politischen und technischen Hintergründe eingegangen wird. "Die Leichenverbrennung ist ein Kind der Revolution, des Kirchenhasses und der Freimaurerei. Sie hat mit Kulturfortschritt nichts zu tun, sondern bedeutet Rückkehr zu barbarischer Rohheit!" Für das Wiener Krematorium werden sogar die Kosten für den Bau und den Betrieb genannt, dass der planende Architekt ein katholischer Tiroler ist, wird jedoch nicht erwähnt. Wenige Wochen später sollte Holzmeister mit Luis Trenker in Bozen ein Atelier beziehen.
Leopold Speneder, Mitarbeiter von Prof. Josef Strzygowski am Kunsthistorischen Institut der Universität Wien, schrieb über den Hang zur bodenständigen Tradition im Wiener Bauen: "Das lebendige Gefühl für heimatliche Formen ist es auch, das Clemens Holzmeister das Wiener Krematorium mit gewaltigen Spitzbogenöffnungen ausstatten lässt. Er verwendet sie ganz gewiss nicht im historizistischen Sinne, dass heißt, mit der bewussten Absicht, die Gotik in symbolische Beziehung zu seinem eigenen Bau zu setzen, sondern er wendet den mächtigen Spitzbogen ausschließlich deshalb an, weil ihm die Ausdruckskraft dieses Motives in seiner Tiroler Heimat zum bleibenden Erlebnis geworden war." Speneder hat seinen Worten eine verblüffende Gegenüberstellung von zwei Bildern beigefügt: Das eine zeigt die berühmten Spitzbögen der Bozener Streitergasse, das andere den Spitzbogen des Eingangs ins Wiener Krematorium.
Vor diesem Hintergrunde wurde Clemens Holzmeister am 19. Jänner 1924 einstimmig "primo et unico loco" vom Professorenkollegium der Akademie der bildenden Künste in Wien zum Nachfolger von Friedrich Ohmann als Leiter einer Meisterschule für Architektur berufen. So übersiedelte Holzmeister mit dem Wintersemester 1924/25 von Innsbruck wieder nach Wien.

Doch zurück zum Atelier Holzmeister und Trenker in Bozen, das in diesen Monaten am Beginn seines Aufstiegs stand. Luis hatte also schon damals einen in der Öffentlichkeit recht gut bekannten Architekten als Partner an seiner Seite. Aber auch Trenker machte sich in Bozen und Südtirol bald einen Namen. Durch seine Verlobung mit Marlene von Pretz, die aus einer angesehen, wohlhabenden Bozener Kaufmannsfamilie stammte, durch seine Tätigkeit als Bergführer und ab 1924 als Schauspieler und Filmemacher kannte er viele Leute, die für das Erreichen von Bauaufträgen wichtig waren. Luis wollte die Aufträge besorgen und Clemens sollte entwerfen. Wie verankert Trenker in der Südtiroler Gesellschaft gewesen ist, zeigt eine Episode, die Leni Riefenstahl in ihren Erinnerungen über die erste Begegnung mit Trenker niederschrieb. Im Hotel Karersee in den Dolomiten führte sie Mitte 1924 ein kurzes Gespräch mit ihm. Nach der Verabschiedung, im Weggehen, rief sie ihm nach: "Wie kann ich sie brieflich erreichen?" Seine Antwort: "Trenker, Bozen, das genügt."

Atelier Holzmeister und Trenker, Bozen
Eine wichtige Quelle für das genauere Wissen über die Zusammenarbeit der beiden sind die Werkverzeichnisse von Clemens Holzmeister. Das erste erschien 1937 als Anhang einer Monografie, unter Mitarbeit von Josef Gregor, Bruno Grimschitz und Zeno Kosak. Es versuchte, alle Entwürfe und Bauten bis dahin zu erfassen und vermerkte bei einigen Südtiroler Planungen die "Mitarbeit von Architekt L. Trenker". Das zweite Werkverzeichnis entstand im Jahre 1976 als Teil der Dissertation "Clemens Holzmeister. Das architektonische Werk." von Monika Knofler, die dadurch zur Begründerin der Holzmeister-Forschung wurde. Sie hat, aufbauend auf das Verzeichnis von 1937 und in vielen Gesprächen durch Holzmeister unterstützt, erstmals alle Bestände an Plänen und Zeichnungen gesichtet und katalogisiert. Diese Arbeit fand Verwendung in der Autobiografie Holzmeisters, die ebenfalls 1976 veröffentlicht wurde. Durch Knofler bis 1981 ergänzt, hat dieses Werkverzeichnis Eingang in einen Ausstellungskatalog der Akademie der bildenden Künste in Wien gefunden und ist bis heute das wichtigste Nachschlagewerk, das auch für das Folgende herangezogen worden ist.
Das Atelier der beiden Freunde in Bozen war eine Weiterentwicklung gemeinsamen Strebens und Arbeitens, das schon 1915 eingesetzt hatte. Pläne für einen Umbau der Schlösser Hörtenberg (Bozen) und Krakofel (Brixen) entstanden also noch während des Krieges. Zwischen den Verzeichnissen von 1937 und 1981 gibt es geringfügige Unterschiede in der Nennung Trenkers. Es scheint für Holzmeister schon 1937 durch die große Zahl seiner Projekte schwer gewesen zu sein, eine klare Zuordnung zu treffen. Noch mehr trifft dies auf 1976 zu. Versucht man nun, nach seinem Werkverzeichnis für die Jahre 1915 bis 1927, eine Bilanz der Werke in Südtirol zu ziehen, so beansprucht Holzmeister für sich allein 19 Werke, dazu kommen 22 gemeinsam mit Luis Trenker. Die Kriterien, nach denen Holzmeister die Gemeinsamkeit festgestellt hat, sind nicht nachvollziehbar. Luis Trenker wiederum hat kein eigenes Werkverzeichnis hinterlassen, dürfte aber auch Planungen und Bauten ohne Holzmeister durchgeführt haben. So findet sich ein Projekt für die Volkswohnbau-Genossenschaft (Cooperativa Case popolari) in Oberau nicht im Werkverzeichnis Holzmeisters. Die Baupläne sind auch nur von "Ing. Luigi Trenker, Architetto et Ingegnere, Bolzano" gestempelt. Hier liegt also noch ein weites Feld für weitere Forschungen. In der Literatur wird bisher mit den wechselseitigen oder gemeinsamen Zuordnungen der Werke von Holzmeister und Trenker in Südtirol und Österreich sehr locker umgegangen, was vielleicht sogar der Wahrheit sehr nahe kommt. Leider gibt es aus dieser schweren Zeit auch bei den Bozener Behörden und in ihren Archiven nur wenige Quellen. So bemüht sich der Architekt Michael Scherer seit Jahren darum, aus kleinsten Mosaiksteinen das Entstehen der Siedlung "Klösterlegrund" zu erforschen.

Zu den bekanntesten gemeinsam ausgeführten Bauten gehören die Siedlung "Klösterlegrund" in Bozen (1924/25), die Wohnhäuser für Bahnbeamte in Auer (1925), der Erweiterungsbau des Hotels "Adler"in St. Ulrich (1925/26) wo heute neben dem Eingang eine Gedenktafel an Holzmeister und Trenker erinnert und der Ansitz "Pretz" in Bozen (1926/28). Dieses Haus gilt heute als das architekturgeschichtlich bedeutsamste Werk des Ateliers Holzmeister und Trenker. Der Auftrag hing natürlich mit Luis Verlobung mit Marlene von Pretz zusammen. Holzmeister 1937 über den Charakter dieses Hauses: "Unweit der Talferpromenade, versunken in Weingärten, umgeben von alten Herrensitzen. Gegen die Straße ist die offizielle Note angeschlagen, etwas abweisend nach außen wie die Bozener und ihre Häuser, gegen den Garten und nach innen öffnet sich das Haus beschaulich und ungebunden wie die Inwohner, wenn sie unter sich sind."
Zeno Abram schreibt im Jahre 1979 in einer sehr lesenswerten Abhandlung über die Frühe Moderne in Südtirol: "Noch 1909 baut der Baulöwe Albert Canal in Bozen seine Villa in der Runkelsteinerstraße, an der er von Barock bis Wiener Sezession alles zeigt. Zwanzig Jahre danach baut Clemens Holzmeister vis-á-vis die Villa von Pretz in der Art des Neuen Bauens, ornamentlos. Zwischen beiden Bauten, die sich gegenüberstehen, liegt jenes Kapitel der Tiroler Architekturgeschichte, das man überschreiben kann: Das Suchen nach einer zeitgemäßen Form, die der Bautradition der vergangenen Zeit verpflichtet ist."

Der Bozener Volksmund gab dem Ansitz aufgrund der Straßenansicht mit seiner offiziellen Note den Namen "Wüstenbahnhof". Für Abram ist er jener Bau, "der auf die beste Art die Qualität des Neuen Bauens dokumentiert". Holzmeister "sei so etwas wie ein Prophet in Südtirol" geworden. Seine Stimme werde "heute noch gehört". Aber leider werde das, was er in seiner Jugend gewollt habe, von seinen Epigonen falsch verstanden, seine zeitgemäß ausgerichtete Künstlerschaft "innerhalb der österreichischen Moderne ignoriert". Stattdessen huldige man einem "süßlichen, falschen Heimatstil".
Wilfried Posch

Links

www.suedtirol.info
Südtiroler Marketinggesellschaft
www.enel.it
Website der staatlichen Energiekörperschaft Enel
www.provinz.bz.it/kulturabteilung/ av-medien/Links/default.htm
Kulturabteilung der Autonomen Provinz Bozen