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Max Valier - Raketenforscher

Der Bozner Max Valier hat mit der Entdeckung des Rückstoßprinzips der Raumfahrt den Weg geebnet. Der Raketenforscher hat aber auch einige der heute handelsüblichen drehbaren Sternkarten entwickelt.




Technik

Max Valier gilt heute als einer der Ersten in Europa, der Raketenmotoren mit flüssigen Treibstoffen testete. Mit dem Start des ersten Raketenflugversuchs (11. Juni 1928), dem Bau eines Raketenschienenwagens, Raketenautos und eines Raketenschlittens konnte er seine Theorie vom Rückstoßprinzip beweisen.

Nach diesem Prinzip werden heute noch Raketen und andere Weltraumfahrzeuge angetrieben. Es handelt sich bislang um das einzig verwirklichbare Prinzip: Der Rückstoß von Gasen gibt Anschubkraft. Valiers Hauptverdienst sind die Arbeit an den Raketenaggregaten und die Errechnung von Schub und Leistung unter verschiedenen geometrischen Konfigurationen.
Heute sind kleine Raketendüsen als „Valiers“ bekannt, z.B. auf den sowjetischen Raketen; ihre Aufgabe ist die Flugkontrolle. Valiers Arbeit bildet so die theoretische Grundlage für die heutigen Anwendungen.

Um die Raketentechnik in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, versuchte man Raketenmotoren mit damals üblichen Verkehrsmitteln zu demonstrieren: Valier experimentierte mit Raketenantrieben an Flugzeugen, Autos, Schlitten und Schienenfahrzeugen, mit verschiedenen Antriebsarten und Brennstoffen. Dabei erzielte er beachtliche Fortschritte, die für die damalige Zeit als revolutionär gelten.

Diesen Zweck hatte auch der RAK-7. Mehrmals umgebaut diente er zuletzt der Vorführung eines kleinen Motors mit flüssigem Sauerstoff und Alkohol. Bei einem Prüflauf in seinem Labor in Berlin explodierte der Rak-7 und Valier wurde getötet.

Bereits in der Schule hatte sich Max Valier mit dem Rückstoßprinzip beschäftigt und kleinere Versuche mit Raketenantrieben gewagt. Einer Anekdote nach - dem heutigen Amateurastronomen Siegfried Steinegger erzählt von Walter Amonn und Georg Innerebner, Freunde Valiers - soll sich Max eines Tages mit Zuschauern zum Kalterer See begeben haben: „Eines Tages befestigte er eine Rakete an einem Boot und fuhr damit auf den Kalterer See hinaus. Dort zündete er die Rakete – das Boot explodierte und sank. Valier salutierte, während er unterging – er konnte ja schwimmen – und sagte: Aber, meine Damen und Herren, ihr habt gesehen, es funktioniert!“ 1)

Die Grundprinzipien der modernen Raumfahrt gehen auf Hermann Oberth zurück (Anfang der 1920er-Jahre), auch Konstantin Ziolkowski in Russland und Robert Goddard in den USA waren neben Valier Väter des Weltraumflugs. Im Unterschied zu den anderen hat Valier allerdings nicht nur mathematische Berechnungen und Theorien aufgestellt, sondern auch selbst experimentiert, hat den Mut und die Ausdauer gehabt zu riskieren und ist daran gestorben.
Hermann Oberth, ein deutscher Gymnasiallehrer für Physik und Mathematik, hatte 1924 ein Büchlein mit dem Titel „Die Rakete zu den Planetenräumen“ herausgegeben. Es handelte sich um einen Essay, der heute noch als Standardwerk der Raumfahrttechnik gilt, den Valier berauscht las und der ihn dazu brachte, gleich mit Oberth in Kontakt zu treten.

Es begann ein reger Briefwechsel. Doch Oberth, der sich weltweit vielleicht als erster in einer Dissertation mit der Raumfahrt befasst hatte (1922/23), missfielen Valiers Vortragstätigkeit und seine populärwissenschaftlichen Bücher. Er stoppte in der Folge die Pläne der gemeinsamen Unternehmungen, die Ansichten der beiden über die Vorgangsweise gingen ziemlich auseinander, Valiers Experimente waren Oberth zu gefährlich.
Max Valier hat in dieser Zeit einen Aufsatz geschrieben, „Vom Flugzeug zum Weltraumschiff“, in dem er das vierstufige Entwicklungsprogramm seines Raketenflugs vorstellt:

  1. Prüfstandsuche für die Weiterentwicklung der bekannten Pulverraketen und Modellversuche
  2. Erprobung des Raketenantriebs an Landfahrzeugen (Raketenauto, Raketenschlitten, Raketenschienenwagen)
  3. Entwicklung eines Flüssiggasraketentriebwerks für den Einsatz in Flugzeugen
  4. Bau von Stratosphärenflugzeugen und später von Weltraumraketen

Valier kam nur bis zu Punkt 3. (aus www.tecneum.biz/center)



Geschichte

Geboren wurde Max Valier am 9. Februar 1895 in Bozen, im Haus Wachtler am Pfarrplatz 21 (heutiger Sitz der Südtirol Marketing Gesellschaft). Sein Vater, Edmund Valier, war ein Wiener Konditor. Die Mutter, Olga Wachtler, eine Boznerin. Gestorben ist Valier in Berlin am 17. Mai 1930 als an seinem Raketenwagen eine Brennkammer explodierte.

Sein Lebenstraum war der Bau einer Rakete, die Menschen ins Weltall gebracht hätte. Er blieb diesem Traum 35 Jahre lang treu und entwickelte nach dem Studium trotz großer finanzieller Schwierigkeiten seine Idee weiter.
Um 1910 besucht Valier die Franziskanerschule in Bozen. Dort findet er in seinem Griechischlehrer Pater Joachim seinen ersten verständnisvollen Förderer. Der Physikunterricht beflügelt ihn, das Teleskop im Dachboden des Großvaters ist sein nächtlicher Begleiter.

Für die Schulzeitung „Mentor“ und für das „Tiroler Volksblatt“ schreibt er schon Beiträge über Astronomie. Mit dem verdienten Geld kauft er sich Astronomiebücher. Auch arbeitet er in der Freizeit bei einem Feinmechaniker, wo er handwerkliches Können erwirbt, um seine Instrumente und Modelle selbst zu bauen.

1913 inskribiert er Astronomie, Physik, Mathematik und Meteorologie an der Universität Innsbruck und verbringt viele Nächte in der Innsbrucker Sternwarte. Sein Ziel ist der Mond und weniger die Raumfahrt als solche. Er wohnt bei seinem Onkel und Taufpaten Gotthard Valier in der Maximilianstraße 27. Dieser finanziert ihm auch das Studium und nimmt ihn immer wieder unter seine schützenden Fittiche, wenn Max negativ auffällt.

1914 bringt er beispielsweise ein kleines Modellflugzeug mit drei Feuerwerkraketen zum Fliegen. Da gerät er in Schwierigkeiten mit der Polizei wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“. Sein Onkel, Konditor und Gemeinderat in Innsbruck, genießt öffentliches Ansehen. Er rettet ihn vor einer Anzeige. Heute noch gibt es die Innsbrucker Valier-Linie, eine Konditorenfamilie. Der heutige Nachfahre, Gotthard Valier, ist das Enkelkind des genannten Onkels, ein eifriger Valier-Dokumente- und -Foto-Sammler.

Er kennt viele Anekdoten rund um den Pionier der Weltraumfahrt, darunter die Geschichte um den Zorn des Alten gegenüber Max‘ Weigerung, seine Diplomarbeit über die wissenschaftlich umstrittene Welteislehre aufzugeben. Es zeichnete sich 1919 ab, dass ihm ein Studienabschluss verwehrt bleiben würde. Max schrieb dann eine zweite Arbeit ganz nach Universitätslehre, um seinem Onkel einen Gefallen zu machen.

1915 rückt Max als Leutnant des österreichisch-ungarischen Heeres in den Krieg ein. An der russischen und dann rumänischen Front wird er als meteorologischer Beobachter, als Pilot und Fahrzeugtester eingesetzt. Sogar in den Kriegswirren gibt er seine Raketenpläne nicht ganz auf und erläutert dem Kriegsministerium auf dem Postweg seine Pläne.

Die Antwort lässt auf sich warten, das Kriegsende kommt schneller. In Briefen an seinen Onkel beschreibt er hingegen die Gräuel der Kriegsgewalt und seine wechselvollen Gemütszustände. Kurz vor Kriegsende stürzt sein Flugzeug von rund 3000 Metern ab, Max überlebt den Sturz mit einem Fallschirm.

Ab 1919 studiert er in Wien Astronomie weiter. Sein Wunschthema über die umstrittene, als esoterischer Unfug geltende Welteislehre (1913) von Hans Hörbiger entfacht einen wissenschaftlichen Disput über Valiers Ansatz und fordert die offizielle Universitätslehre heraus.

Die Welteislehre besagte, dass das Eis im Weltall die Ursache vieler bislang ungeklärter Phänomene sei, des Wesens der Sterne, der Zusammensetzung des Mondes. Max fällt bei der Diplomprüfung durch. Er bittet seine Stiefschwester Martha, die ihm bisher stets bei seinen Jugendplänen geholfen hatte, ihm nach Wien zu folgen und ihn zu unterstützen. Die Familie ist jedoch dagegen. In dieser Zeit lernt er seine spätere Frau kennen.

Hedwig Bucek Alden stammt aus Breslau, ist 20 Jahre älter und geschieden. Mit Max teilt sie die Leidenschaft für die Wissenschaft und die Metaphysik. Erst 1921 erhalten sie die Einreiseerlaubnis nach Südtirol, seit 1919 italienisches Staatsgebiet. Zwei Tage nach dem faschistischen Mord an dem Marlinger Lehrer Franz Innerhofer heiraten die beiden am 26. April 1921 in Bozen, in der evangelischen Kirche. Das Paar kehrt bald nach Deutschland zurück, denn dort wähnen sie die Zukunft.

In München leben sie in einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession, aber fiebernden Aktivität. Hedwig unterstützt Max‘ Unternehmungen, so dass er sich Hals über Kopf in die Verwirklichung seines Traumes stürzen kann: die Entwicklung des Raketenflugzeugs. Sie wechseln oft den Wohnort, führen auch aufgrund finanzieller Engpässe ein unstetes Leben.

Hedwig versteht es, ihren Mann zu beraten und in Szene zu setzen, ist vermutlich seine erste Sponsorin und scheut es nicht einmal, sich in einer Testvorführung in einen von Valiers Raketenschlitten zu setzen, Beweis ihres Muts und ihres praktischen Sinns fürs Werbegeschäft (die Zeitungen sind voll von Fotos der waghalsigen Frau des Raketenpioniers), aber auch von Max‘ Leichtsinn und Risikobereitschaft.

Seine Stationen sind München und später Berlin. Über Wasser hält sich Max hauptsächlich durch seine rege Vortragstätigkeit und durch das Verfassen technisch-wissenschaftlicher Studien über Flugzeuge. Der Militarismus und die Gedanken der sich formenden NSDAP interessieren ihn nicht, als er aber in Zeiten der Inflation und sozialen Unsicherheit in einer Münchner Brauerei zufällig auf Hitler trifft, erahnt er Finanzierungsmöglichkeiten für seine Experimente und spricht ihn an. Hitler soll ihn vor seinen Offizieren als „Phantasten“ ausgelacht haben.

Die Wirtschaftsmisere der 1920er-Jahre macht ihm zu schaffen, trotzdem macht er sich als Forscher einen Namen, hauptsächlich über die Medien- und Vortragstätigkeit. Valier hilft dem Schriftsteller Reinhold Eichacker bei der Niederschrift von zwei Science-Fiction-Romanen. Valier liefert die technisch-wissenschaftlichen Hintergrundinfos, Eichacker dichtet dazu. Valier schreibt auch populärwissenschaftliche Werke über die Raumfahrt und das All, z.B. das „Sternenbüchlein für jedermann“ und „Vorstoß in den Weltenraum“, um sein Wissen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Bücher sind erfolgreich und werden mehrmals aufgelegt.

Seine zahlreichen Versuche muss er selbst bezahlen, was ihn in Schulden stürzt. So ist er die letzten zehn Jahre seines Lebens immer hin- und hergerissen zwischen dem teuren Experimentieren und der Öffentlichkeitsarbeit, die ihm Geld einbringt. 1927 gewinnt er seinen ersten großen Gönner und Sponsor für seine Pläne, den Autoindustriellen Fritz von Opel.

Für Opel sind die sensationellen Raketenfahrten eine gute Werbeschiene. So finanziert er die ersten Raketenfahrten mit einem Raketenauto, das 230 km/h erreicht. Bald schon kommt es zum Zerwürfnis zwischen dem seriösen Forscher Valier und dem an der Sensation interessierten Opel, der selbst im Mittelpunkt stehen will und dem das Experimentieren zu langsam geht. Noch 40 Jahre später stellt sich Opel als Erfinder des Raketenautos dar, während er Valier nicht einmal erwähnt.

Valier wendet sich enttäuscht ab. Dann lernt er Paul Heylandt kennen, den Chef der Gesellschaft für Industriegasverwertung. Dieser überbrückt eine kurze Zeit Valiers Finanzierungsschwierigkeiten; Valier benützt dafür einen Motor mit dem von Heylandt hergestellten flüssigen Sauerstoff.

Als nächsten Sponsor gewinnt Valier den Präsidenten der Shell, Sir Henry Deterding. Der finanzierte seine weiteren Versuche allerdings nur unter der Bedingung, dass Valier als Brennstoff Erdölprodukte von Shell verwendet, d.h. Paraffin statt Spiritus. Valier stürzt sich nun auf die Idee, ein Flugzeug mit Rückstoßmotor zu bauen, das eine rasche Verbindung zwischen Calais und Dover ermöglicht.

Seinen Tod hat er in seinem Buch „Vorstoß in den Weltenraum“ gewissermaßen vorweg genommen, indem er vom Risiko sprach, das man als engagierter Forscher in Kauf nehmen müsse, um des technischen Fortschritts willen: „Für den Forscher selbst ist es ein harter Kampf, bei welchem ein jeder auch sein eigenes Leben einsetzen muss und auch gerne einsetzt, denn ein jeder weiß, dass nur durch die Anspannung aller Kräfte und im edlen Wettstreit der Geister dieses größte technische Problem gemeistert werden kann.“

Am 17. Mai 1930 verunglückt Max Valier tödlich in Berlin, bei der Explosion eines Versuchsmodells des Raketenschlittens „Valier Rak-Bob“ (Bild). Ein Metallsplitter der explodierenden Brennkammer trifft seine Lungenschlagader. Er ist in München beigesetzt, wo er ein Ehrengrab der Stadt erhält. (aus www.tecneum.biz/center)



Fotogalerie

valier.jpgMax Valier
?Tiroler Pioniere der Technik?, Ernst Attlmayr, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck-München, 1968