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Allgmeine Vorbemerkungen - Die Pustertalbahn zwischen Franzensfeste und Winnebach
23.10.2006
Die Pustertalbahn
Allgemeine Vorbemerkungen

Der erste Antrag, eine West-Ost-Verbindung durch das Pustertal zwischen Brixen über Lienz bis nach Marienburg (heute Maribor) wurde an Kaiser Ferdinand I. vom Bürgermeister von Lienz, Michael Sartori, am 14. Mai 1845 gestellt. Man dachte noch an eine Pferdebahn.

Die Anfrage wurde nicht gleich abgelehnt. Aber zunächst wurden am 27. Juli 1857 die Bahnstrecken Wien – Triest, im August 1858 die Strecke Kufstein – Innsbruck, am 16.Mai 1859 die Strecke Trient – Bozen und am 24. August 1867 die Brennerstrecke Innsbruck – Bozen eröffnet. Erst nach dem Verlust Venetiens 1866 an das Königreich Italien wendet sich Österreich der einzig verbleibenden West-Ost-Verbindung zwischen Südtirol und Wien zu, nachdem am 1. Juni 1863 und am 1. Juni 1864 die Bahnstrecken von Marburg nach Klagenfurt bzw. von Klagenfurt nach Villach eröffnet worden waren.

Die Baukonzession für die Strecke Brixen – Villach geht allerdings auf den 23. September 1858 zurück, als die Regierung die Arbeiten für die Tiroler Eisenbahnen einer Genossenschaft aus nationalen und ausländischen Kapitalgebern (darunter die Bankiers Rothschild), – der späteren K.K. Privilegierten Südbahngesellschaft (gegr.1862) – erteilte. Noch im gleichen Jahr, am 9. Oktober, beginnen die Arbeiten der beauftragten Münchener Firma Hügel, Sager und Angermann unter der technischen Leitung von Karl Prenninger und Wilhelm von Flattich (Bahnhöfe) für die Strecke Franzensfeste – Lienz.

Der Anschluß an die Brennerbahn im Westen wurde aus militärstrategischen Gründen nach Franzensfeste verlegt – aber auch um das starke Gefälle nach Brixen zu vermeiden (190 Höhenmeter zwischen Mühlbach und Brixen). Schon am 15. November 1871, nach kaum mehr als zwei Jahren, war die Strecke befahrbar und wurde am 20. November 1871 eröffnet. Die 20 000 Kronen für die ursprünglich vorgesehenen Feierlichkeiten wurden von der Südbahngesellschaft an notleidende Pustertaler verteilt.

Die Bahnlinie hatte sofort großen Erfolg. Das mag u.a. daran gelegen haben, daß diese Bahn mit ihrem Streckenverlauf, ihren Kunst- und Hochbauten einen intensiven Dialog mit der umgebenden Landschaft führt. Die Wechselbeziehung Natur und Technik ist vor allem im östlichen Teil noch heute spürbar. Ständig erschließen sich neue Perspektiven in die Weiten des Tales oder zu den bizarren Dolomitformationen. Der Tourismus setzte ein und die Südbahn baute ein luxuriöses Grandhotel unter eigener Regie auf dem weiten Toblacher Feld.

Da die Strecken Wörgl – Bischofshofen (1875) und die Tauernbahn (1909) noch nicht fertiggestellt waren, bestand die einzige Verbindung zwischen Wien und Innsbruck – aber auch zwischen Frankreich, der Schweiz, Südwestdeutschland, Ungarn und dem Balkan – nur über das Pustertal. Allein im Frachtbereich betrug der Transport von ungarischem Weizen durch das Pustertal 8 Mio Zentner im Jahr. Aber auch Holz, Kohle und Vieh wurden in großem Umfang befördert.

Mit Ausnahme einer viermonatigen Unterbrechung nach einer Überschwemmungskatastrophe 1882 wurde der Zugverkehr durch das Pustertal bis zum 1. Weltkrieg fahrplan- und regelmäßig durchgeführt. 1915 erreichten die Militärtransporte mit 886 Konvois im Oktober einen absoluten Höhepunkt.

Nach dem 1. Weltkrieg verlor die Pustertalbahn erheblich an Bedeutung und diente überwiegend nur noch dem lokalen Verkehr. Die Südbahngesellschaft wurde 1923 aufgelöst, die Eisenbahnanlagen wurden bereits 1919 an die Italienische Staatsbahn FS übergeben.

Im 2. Weltkrieg wurde die Bahnstrecke wegen der Kohletransporte aus Polen verschiedentlich bombardiert, der Bahnhof Lienz schwer getroffen.

Entsprechend dem Vertrag zwischen Italien und Österreich (De Gasperi / Huber) vom 5. September 1946 in Paris wurden in den Nachkriegsjahren sogenannte „Korridorzüge“ ohne Haltepunkte auf italienischem Staatsgebiet zwischen Lienz und Innsbruck eingesetzt. Später brachte der „Dolomiten-Express“ zwischen München und Lienz in den Sommermonaten Touristen in das Pustertal das nun auch wieder vom Expresszug Mailand – Wien genutzt wurde. Nach der Eröffnung des Skigebietes Kronplatz kamen in den Wintern der 60er Jahre Sonderzüge von München und aus Belgien nach Bruneck.

Im November 1974, nach über hundert Jahren Dampflok betriebener Züge, wurden auch von Franzensfeste aus Dieseltriebwagen eingesetzt, die bereits seit den 50er Jahren von der österreichischen Seite aus betrieben wurden.

Schließlich wurde im Frühjahr 1985 mit der Elektrifizierung der Bahnstrecke durch das Pustertal begonnen. Sie wurde am 8. Februar 1989 zwischen Franzensfeste und Innichen in Betrieb genommen wurde.

Der Militärhaltepunkt in der Franzensfeste war bereits kurz nach dem Krieg aufgelassen worden. Der schöne hölzerne Bahnhof Aicha wurde 1988 geschlossen und seit den neunziger Jahren halten die Züge nicht mehr in St. Sigmund, St. Lorenzen, Vierschach und Winneberg.

Im November 2003 wurden Verhandlungen zwischen der Südtiroler Landesregierung und der Italienischen Staatsbahn aufgenommen um die Bahnhöfe Mühlbach, Vintl, Ehrenburg, Olang, Welsberg, Niederdorf und Toblach der leihweisen Nutzung durch die betreffenden Gemeinden zu überlassen. Das Schicksal über Erhalt und Pflege der teilweise noch völlig erhaltenen Bahnhöfe aus dem Jahr 1871 wird sich durch diese Übernahme und die künftige Nutzung entscheiden – zumal der Denkmalschutz für die Bahnhöfe nicht gegeben ist.

Leider verfolgt die Südtiroler Landesregierung keine konsequente Verkehrspolitik zugunsten der öffentlichen Verkehrsmittel und der Bahn. Während das Bahnfahren immer weniger komfortabel wird, Haltestellen eingespart statt daß nach einem modernen Metro-System neue eröffnet werden, immer noch ist die Anbindung an die Brennerstrecke umständlich und zeitraubend für die Verbindung nach Bozen und statt der Einrichtung eines Verkehrsverbundes in kurzem Zeittakt mit gutem Service wird parallel zum Bahnstreckenverlauf der rennpistenähnliche Ausbau der Staatsstraße gefördert, so daß die wenigen verbliebenen Fahrgäste wohl bald wieder zum Autoschlüssel greifen werden. Die Ergebnisse der gleichen inkonsequenten Politik sind auch im Vinschgau zu besichtigen, so daß auch um die Rentabilität der wiedereröffnteten Vinschgauer Bahn zu bangen ist.

Es erscheint neben einer anderen politischen Präferenz der künftigen Verkehrsträger aber auch dringend erforderlich, diese Bauten der Eisenbahnpionierzeit – die an keiner anderen Stelle Europas in dieser Vollständigkeit überkommen sind – als technische Denkmäler von europäischem Rang in ihrer Gesamtheit unter denkmalpflegerischen Ensembleschutz zu stellen. So lautet jedenfalls die Empfehlung des Kuratoriums für Technische Denkmäler in Südtirol und so erwarten es die Bürger, die um die Identität ihrer Heimat besorgt sind.