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Brennerbahn Bahnhof Franzensfeste

Brennerbahn Bahnhof Franzensfeste - Baubestand, Bauzustand und Nutzung
Heutiger Baubestand:
Durch glückliche Umstände ist das große hölzerne Aufnahmsgebäude von 1871 des Bahnhofes Franzensfeste erhalten geblieben - während das Pendant in Kufstein dem heutigen Betonbau weichen mußte. Es hat sogar den Bombenangriff im April 1945 ohne Schaden überstanden. Erhalten geblieben sind alle Wärterhäuschen auch die zwei mit dem Verbindungsbau für Werkstatt und Feuerlöschstation. Teilweise zerstört wurde die Lokomotivremise – sie wurde aber im ursprünglichen Sinn renoviert. Auch die Wohnblöcke sind alle überkommen. Ebenso das Frachtmagazin. Eine wesentliche Beeinträchtigung für das einzigartige Aufnahmsgebäude bedeutet jedoch der erdgeschossige Küchenanbau auf der Ostseite des nördlichen Kopfbaus. Genauso unsensibel ist die Einhausung des Zu-ganges zur Bahnsteigunterführung zum Durchgangsbahnsteig zwischen den Hauptgeleisen mittig unter der offenen Wartehalle ausgefallen. Von den lieblosen Veränderungen in den Innenräumen einmal ganz abgesehen.

Beim Wiederaufbau und der Modernisierung der Bahnhofsanlagen sind zahlreiche Neubauten aus unterschiedlichen Jahrzehnten hinzugekommen:
Das Verwaltungs-, Fracht- und Zollgebäude aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, das zwischen dem nördlichen Kopfbau des Aufnahmsgebäudes und den doppelten Wärterhäusern entstand. Bei seinem Bau wurde der Restaurationsanbau ebenso abgebrochen wie das Betriebsgebäude im Anschluß an den südlichen Kopfbau einem Neubau von 1985 weichen musste. Aus dem gleichen Jahr stammt eine Lokwerkstatt vor den doppelten Wärterhäusern.
Auch die Lokremise erhielt auf der Nord- und Südseite Zubauten aus der gleichen Zeit. In den 60er Jahren des 20. Jhts, der Zeit der großen Viehtransporte auf der Schiene, entstan-den überdeckte Laderampen. Zahlreiche kleinere Werkstatt und Magazinbauten sind - verstreut über das Bahngelände in all den Jahren ohne gestalterischen Zusammenhang entstanden.

Bauzustand:
Es versteht sich, daß bei den zahlreichen Bauten auf dem Bahnhofsgelände, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, ein sehr unterschiedlicher Bauzustand vor-handen ist. Wie immer entlang der Brennerstrecke hat man den Eindruck, daß die alten Bauten der KK. Südbahn unter dem Architekten Wilhelm von Flattich nicht nur gut gestaltet son-dern auch vor allem von soliderer Bauqualität sind als alle späteren Zubauten der FS – mit Ausnahme der Wohnbauten von Angiolo Mazzoni der Lokomotivremise und des südlichen Frachtmagazins.

Derzeitige Nutzung:
Das Aufnahmsgebäude wird mit Fahrkartenverkauf und ständig anwe-sender Fahrdienstleitung genutzt. Die Bar und das Bahnhofsrestaurant erscheinen gut be-sucht obwohl von der alten Eleganz und Atmosphäre großbürgerlicher Reiskultur nur noch wenig durchschimmert. Es gibt einen Kiosk jedoch keine öffentlichen WC’s (nur im Restaurant). Die Büros des ehemaligen Zolldienstes und der Verwaltung nördlich des Aufnahmsgebäudes bis zu den Wärterhäuschen mit Feurlöschdienst aufgereiht, stehen größtenteils leer. Die Wohnungen in den Wohnblocks sind in gutem Zustand, da sie zum größten Teil an Mitarbeiter der FS verkauft worden sind. Völlig leer steht das ehemalige Apartmenthaus für diensttuende Eisenbahner (Dormitorio). Der ehemals sehr umfangreiche Frachtbetrieb ist sehr reduziert, die Viehtransporte mit der Bahn sind völlig zum Erliegen gekommen.

Geplante Nutzung:
Der Bau des Brennerbasistunnels wird einschneidende Veränderungen für den Bahnhof Franzensfeste bringen: Die Durchgangsgeleise werden hier nach der Unter-querung des Brenners für 1,5 km wieder an der Oberfläche liegen bevor sie in einen anschließenden Tunnel Richtung Bozen eingeleitet werden. Bestehende und zusätzliche Bauten sollen dabei Räume und Technik für die Tunnelüberwachung aufnehmen. Die Lokremise scheint den Bauzwängen dabei zum Opfer zu fallen.
Das ehemalige „Dormitorio“ der FS nördlich des Hotels „Reifer“ – ein sechsgeschossiger Bau aus den 60er Jahren des 20. Jhts mit überwiegend kleinen Einzimmerapartments soll im Rahmen der Fahrradstrecke Bozen-Franzensfeste-Brenner (entlang und teilweise unter Nutzung der ehem. Bahntrasse der Brennerstrecke) in ein „biker-hostel“, also eine Herberge für Fahrradfahrer, umgewandelt werden. In den ehemaligen Räumen des Zollgebäudes nördlich des Bahnhofsgebäudes könnten dann der Servicebetrieb und der Fahrradverleih untergebracht werden.
Südlich des Bahnhofsgebäudes soll ein P+R Platz für die Autos der zugfahrenden Pendler angelegt werden.

Empfehlung des Kuratoriums:
Das hölzerne Aufnahmsgebäude war und ist der wichtigste Bau dieser Art entlang der Brenner/Pustertalstrecke nach dem Abbruch des Kufsteiner Bahnhofes und neben dem kleineren ehemaligen Bahnhofsgebäude in Aicha. Er sollte des-halb mit größter Sorgfalt als einzigartiges Baudokument erhalten und gepflegt werden – nicht als Museum sondern als weiterhin genutztes Bauwerk für den Eisenbahnverkehr. Ein weiteres wichtiges Baudokument, das in seiner Nutzung gefährdet erscheint, ist die Lokomotivremise aus den 20er Jahren des 20. Jhts mitten im Gleisgelände. Hier sollte eine langfristige Lösung gefunden werden – sollte es keine Bahnnutzung mehr sein (z.B. im Rahmen der Tunnelüberwachung des geplanten Brennertunnels), sollte dieser schöne Bau öffentlich zu-gänglich gemacht werden (Lokmuseum, Museum über den Bau der Brennerstrecke o.ä.). Weniger Sorgen muß man sich um die schönen und soliden Wohngebäude machen, da sie nun in privatem Besitz sind.

Die Brennerstrecke ist ein historisches Dokument der frühen Verkehrstechnik. Vor allem die Bauten entlang dieser Strecke sind in ihrer Gesamtheit ein Ensemble von bauhistorischem Wert von europäischem Rang. Hier sollte unbedingt ein umfassender Denkmalschutz einset-zen.

Gesamtbewertung (Prof. Arch. Andreas Gottlieb Hempel):
Wer über die Autobahn nach Süden fährt, dem bleibt mit Sicherheit die wuchtige Franzensfeste mit dem eleganten Schwung der Autobahn über den Stausee in Erinnerung – technische Meisterleistungen der Ingenieurbaukunst. Nur die wenigsten wissen, daß sie dabei auch eines der wichtigsten Zeugnisse der frühen Eisenbahnbaukultur passiert haben: den Bahnhof Franzensfeste, den einzigen Knotenpunkt zwischen Innsbruck und Bozen – hier zweigt die Pustertallinie ab. Ent-sprechend seiner verkehrstechnischen Bedeutung wurde dieser Bahnhof nach nur zweijähri-gem Betrieb als kleiner Bahnhof nach Eröffnung der Brennerbahn 1867 zwischen 1869 und 1871 erweitert, ab 1924 und nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals ausgebaut.

Die Festung und die militärischen Bedingungen für die Bauten in ihrer näheren Umgebung stellten den Ingenieuren der K.K. Südbahn die Aufgabe, die technischen Bauwerke der Bahnhöfe Franzensfeste und Aicha in Holzbauweise zu entwerfen und auszuführen. Die Ergebnisse zeigen, daß diese Holzbauten, dank ihrer sorgfältig überlegten Planung mindestens ebenso dauerhaft waren, wie die sonst in unverwüstlichem Granit ausgeführten Bauten gemäß der Typologie, die Architekt von Flattich für beide Bahnlinien entwickelt hatte. Aicha ist still gelegt und rottet seit 1985 verschlossen vor sich hin. Franzensfeste hat zwar viel von seiner überragenden Bedeutung im Eisenbahnnetz der Südbahn und – nach 1919 – der FS eingebüsst, ist aber noch als personell besetzter Bahnhof in Betrieb.

In Betrieb ist vor allem das einzigartige Aufnahmsgebäude, auch wenn einige Räume leerstehen, es von unsensiblen An- und Einbauten beeinträchtigt und erst auf den zweiten Blick wahrnehmbar ist. Es ist einer der schönsten und historisch wichtigsten Holzbauten Südtirols. Aber ähnlich wie der Festungsbau (der allerdings niemals kriegerisch genutzt wurde) wird das Schicksal dieses schönen Bahnhofs wohl museal sein – man wird von Glück reden können, wenn die Einsichten der FS und der Südtiroler Landesregierung soweit reichen, daß die immer weitergehende Stillegung des Schienenverkehrs zugunsten neuer Rennstrecken für das private Auto nicht auch zur Schließung des schönen Aufnahmsgebäudes und der klassischen Lokremise führen wird. Mindestens diese beiden Gebäude der Bahnhofsanlage gilt es zu erhalten und sinnvoll öffentlich zu nutzen.

Spätestens mit der Eröffnung des Brennerbasistunnels wird auch der Bahnhof Franzensfeste zum regionalen Haltepunkt werden, nur noch Zu- und Aussteigen für Pendler, ohne Service oder andere Anreize, nicht das eigene Fahrzeug zu benutzen. Niemand wird wahrlich darüber eine Träne darüber vergießen, wenn die üppigen Flächen der Gleisanlagen dann anderen städtebaulichen Zwecken zugeführt werden – vom Sportgelände bis zum Gewerbegebiet oder Handwerkerzone (wie in Innichen – aber dann bitte sorgfältigst gestaltet und nicht als „Gewerbesteppe“!) und P+R Flächen sind da sicher alle Möglichkeiten gegeben. – Auch die zahlreichen ungestalteten, z.T. heute schon nicht mehr genutzten Bauteile der Nachkriegszeit könnten entfernt werden – allerdings mit entsprechender Sachkenntnis. Die alten Wär-terhäuschen einem sinnvollen Wohnzweck zuzuführen, sollte kein großes Problem sein – die großen Wohnblöcke von 1871 und 1927 haben längst ihre Eigentümer gefunden.

Die Bewahrung der Lokremise vor dem Abriss durch den Bau des Brennertunnels und die Pflege des Aufnahmsgebäude neben der dann regionalen Haltestellenfunktion wäre in Franzensfeste die eigentliche Herausforderung und Verpflichtung gegenüber der wechselvollen Geschichte des historischen Bahnhofes. Die zentrale Lage des Bahnhofes im Ort gewährleistet hohe Attraktivität – entsprechende Anziehungspunkte wie einzelne Läden im Bahnhof unter Berücksichtigung seiner Konstruktion und Atmosphäre, ein Lokomotivmuseum in der Remise und Tunnelwatching (wie von der Gemeinde geplant) sind ernstzunehmende Vorschläge. Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß diese beiden wichtigsten Gebäude schließlich doch im Rahmen des Schutzes für die Brennerstrecke insgesamt unter Denkmalschutz gestellt werden können.


Aktueller Zustand:
      betriebstüchtig
Denkmalgeschützt mit LAB Nr.:
      Bp. 43/2, E.Zl. 129/II, K.G. Mittewald
Für Publikum zugänglich:
      Ja
Baudaten:
      Baubeginn: 00-00-0000
      Inbetriebnahme: 00-00-0000
      AuftraggeberIn: K.K. Privilegierte Südbahn Gesellschaft (1862)
      Projektant/Erfinder: Architekt: Wilhelm von Flattich
      Erbauer/Konstrukteur: Karl von Etzel
Panorama

Südtirol - Eisacktal
Bahnhofstraße 3
I - 39045 Franzensfeste
Tel. trenitalia 892021







Technik











Geschichte

Ursprünglicher Baubestand:
Nördlich der Franzensfeste, die unter Kaiser Franz I. nach Plänen des Generalmajors von Scholl 1835 begonnen und unter Kaiser Ferdinand I. 1838 beendet wurde, lag seit 1867 die Militärhaltestelle Franzensfeste in unmittelbarer Nähe des Ortes Unterau. Zusammen mit dem ca. 3 km weiter nördlich gelegenen Oberau bildeten die beiden Siedlungen die nächsten Ortschaften nördlich der Brixener Klause. 1939 begann die Elektrizitätsgesellschaft Montecatini im Auftrag der FS den Bau eines Staudamms in der Brixener Klause für die Stromversorgung der Brennerbahn. Er wurde 1941 fertiggestellt und Oberau versank in den Fluten. Die Staatsstraße wurde umgeleitet und höher unter der Bahntrasse angelegt. Die Militärhaltestelle wurde im Verlauf der Pustertalstrecke in die Franzens-feste hinein verlegt und 1985 aufgelöst.

Der Ort Franzensfeste entstand erst durch den Bau der Franzensfeste und der Brennerbahn. An der Stelle des alten Reiferhofes aus dem 17. Jht., der dem Bau der Eisenbahntrasse zum Opfer fiel, wurde zunächst eine kleine Station aus Holz angelegt. Der Bau der Pustertallinie ab 1869 und deren Eröffnung 1871 veränderte die Situation grundlegend. Franzensfeste war zum wichtigen Bahnknotenpunkt geworden. Es entstanden eine Gaststätte, ein Haus für Eisenbahner, ein Gütermagazin, ein Postamt, der Gasthof „Reifer“ und einige Häuser - ein kleiner Ort, der zunächst zur Gemeinde Mittewald gehörte. Schließlich wurde das große Bahnhofsgebäude errichtet, das bis heute erhalten ist.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche gebaut. Nach der Annektion Südtirols durch Italien wurde ein Teil der Zollabfertigung des Güterverkehrs nach Franzensfeste verlegt – ein Provisorium in Holzbaracken, das dreißig Jahre hielt. 1924 erfolgte die Genehmigung für den großzügigen Ausbau des Bahnhofes mit neuen Abstellgleisen, Verladerampen für Militär- und Viehtransporte, Warendepots und einer neuen Lokomotivremise. Dazu musste im Westen ein Teil des Hanges abgetragen, Stützmauern angelegt, die Unterführung im Süden ver-längert und im Norden Flächen aufgeschüttet werden. Die Bevölkerung wuchs durch Eisenbahner, Transportunternehmen und Zollbeamte. 1940 wurde Franzensfeste eine eigenstän-dige Gemeinde. Am 20 April 1945 erlitt der Ort durch Bombenangriffe schwere Schäden – das hölzerne Bahnhofsgebäude wurde glücklicherweise nicht getroffen, jedoch das Zolllager und das Lokomotivdepot.

In den fünfziger Jahren des 20. Jhts. fand eine Renovierung mit dem Ausbau der Station um vier Richtungsgeleise statt. Dabei wurde die alte Wasserstation auf der Westseite des Ge-ländes abgebrochen um die Zollabfertigung zu erweitern. Seit den sechziger Jahren begann man die Verlegung des Güterbahnhofes nach Freienfeld zu diskutieren – ein Plan, der schon auf die KK. Südbahn im Jahre 1883 zurückging und der erst durch den Beschluss zum Bau des Brennerbasistunnels 2003 endgültig überholt wurde. Inzwischen hatte sich aber auch durch die Verlagerung des Transportverkehrs – insbesondere der Viehtransporte – auf die Straße (befördert durch den Bau der Brennerautobahn) die Situation so verändert, dass der Bahnhof Franzensfeste völlig ausreicht. Im Gegenteil, durch den Wegfall auch der Zollstellen im Zuge der europäischen Vereinigung werden große Teile des Bahnhofes nicht mehr benötigt.

Als die Brennerstrecke 1867 eröffnet wurde, bestand der Bahnhof Franzensfeste aus einem hölzernen Aufnahmsgebäude. Die Leichtbauweise war wegen der Nähe der Franzensfeste vorgeschrieben – im Glacis der Kanonen sollte Angreifern möglichst wenig Deckungsmöglichkeit gegeben werden. Diese erste Version des Bahnhofes war ein erdgeschossiges Bau-werk auf kreuzförmigem Grundriss, das einen Warteraum, einen Büroraum und Räume der Wohnung enthielt, die sich im ausgebauten Dachgeschoss fortsetzte. Das Erdgeschoss war verschindelt, der Kniestock und die Giebel des Dachgeschosses senkrecht verschalt und mit schönen Holzdetails versehen. Das Holzgebäude stand auf einem Granitsockel über dem unterkellerten Mittelteil.

Am nördlichen Ende des Bahnhofsgeländes wurde ein Wärterhaus am Hang in Blockbau-weise auf in Granit gemauertem Sockel errichtet. Westlich gegenüber dem Aufnahmsgebäude, jenseits der Geleise, war die Wasserstation ebenfalls in den Hang eingebaut. In dem T-förmigen Grundriss unter Satteldächern befanden sich drei Wasserreservoire. Das Sockelgeschoss war in bossierten Granitblöcken gemauert. Glattes Granitmauerwerk diente für die Eckpfeiler des Obergeschosses, welches in den Flächen dazwischen mit Fenstern in senk-rechter Holzverschalung ausgeführt war. Dazu kam südlich des Aufnahmsgebäudes noch eine Laderampe mit einem hölzernem Magazingebäude für den Frachtverkehr. Am südlichen Ende des Bahnhofsgeländes befand sich ein gleiches Wärterhaus wie im Nordteil.

Schon im ersten Ausbau des Bahnhofes Franzensfeste zeigte sich die klare Trennung der Funktionen - Personenverkehr, Güterverkehr und Betriebsgebäude – eine Struktur, die nahezu alle Bahnhöfe der Brennerbahn auszeichnet.

Bereits 1869 wurde mit dem Bau der 1871 fertiggestellten Pustertallinie begonnen. Nach dem Verlust Venetiens im Krieg 1866 an das Königreich Italien war eine Verbindung nach Osten und nach der Hauptstadt Wien dringend erforderlich. Die Linie nannte sich Marburg – Franzensfeste und machte bereits dadurch seinen überregionalen Anspruch deutlich. Der Bahnhof Franzensfeste musste also zu einem Eisenbahnknotenpunkt umgebaut werden.

Das gerade erst erbaute Aufnahmsgebäude wurde abgerissen und durch ein wesentlich größeres Bauwerk ersetzt. Dieses bestand, vom Bahnhofsplatz aus gesehen, aus drei Kopf-bauten mit Satteldach, die durch zwei erdgeschossige Längsbauten, ebenfalls mit Satteldächern, verbunden wurden. Der mittlere Kopfbau, erdgeschossig vorspringend, enthielt das sog. „Vestibule“, eine Eingangs- und Durchgangshalle zu den Geleisen und den Wartesälen der III. bzw. I.+II. Klasse, dem Gepäckdepot und dem Fahrkartenverkauf. Den urbanen Flair dieses „Vestibules“ unterstrich auch der hier bis in die 90er Jahre geöffnete Barbier und Herrenfriseursalon, der noch in der Fotodokumentation von Walter Niedermayer von 1992 zu erkennen ist.
Der südliche Kopfbau war zweigeschossig. Er enthielt im Erdgeschoss das Postamt und im Obergeschoss die Wohnung des Stationschefs. Der südliche Kopfbau war ebenfalls zweigeschossig. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung des Gastwirtes über dem Restaurant, welches sich mit den Speisesälen der verschiedenen Klassen bis zum Fahrkartenschalter im Zwischenbau erstreckte. Die Eleganz des einstigen Speisesaals der I. und II. Klasse zeigt sich an den noch erhalten gebliebenen baulichen Details – allerdings ist inzwischen auch der Billardsalon verschwunden. Zusätzlich wurde noch ein Restaurationsgebäude nördlich mit Durchgängen für Gäste und Personal angefügt. Es enthielt einen großen und kleinen Speisesaal.

Auf der Westseite, also gleisseitig erstreckte sich zwischen den beiden äußeren Kopfbauten eine offene Wartehalle, die mit einem Pultdach über schön detaillierten Eisenstützen gedeckt war. Für den Betrieb des Restaurants wurde nördlich des Restaurationsgebäudes noch ein Nebengebäude mit Waschküche und Ställen errichtet. Vor ihm befanden sich die Passagier-Toiletten in einem eigenen kleinen Bau.

Auch dieses neue Aufnahmsgebäude war mit seinem Anbau für das Restaurant in einer verschindelten Holzskelettkonstruktion errichtet um den militärischen Bauvorschriften in der Nähe der Festung zu entsprechen. Dieses Konstruktionsprinzip wurde auch für die Betriebsgebäude angewandt, die ebenfalls umfangreich erweitert wurden:

Südlich des Aufnahmsgebäudes entstand ein Nebengebäude für die Organisation Zugverkehrs, im Anschluß daran blieb die bestehende Güterladerampe zwar erhalten, jedoch wurde das kleine hölzerne Magazin abgerissen und dafür ein weitaus größeres Lagerhaus südlich der Rampe errichtet. Die Wasserstation am Westrand des Geländes blieb zunächst erhalten aber nördlich anschließend wurde ein großer Kohlenschuppen errichtet, dessen hölzerne Hallenkonstruktion an beiden Enden jeweils von einem massiv in Granit gemauertem Bauteil für Büros bzw. Umkleide und Aufenthaltsräume für die Kohlearbeitereingefasst wurde. Dazu kam im Norden davon eine große Lokomotivremise mit drei Gleiszufahrten für die Arbeits-gruben. Zwischen beiden Gebäuden wurde eine freistehende Toilettenanlage für die Arbeiter eingerichtet. Im nördlichen Bahnhofsgelände, aber auf der Ostseite der Geleise ergänzten zwei weitere Wärterhäuser die betrieblichen Notwendigkeiten. Sie wurden mit einem Zwischengebäude für eine Werkstatt und für ein Feuerlöschdepot verbunden. Diese erhalten gebliebene Gruppierung stellt neben der ähnlichen Anlage in Sterzing eine Rarität dar.

Diese umfangreiche Bahnhofserweiterung für den gleichzeitigen Endpunkt der Pustertallinie und den wichtigen Halt an der Brennerstrecke brachte eine wesentliche Erhöhung des Per-sonals mit sich, so daß mehr Dienstwohnungen benötigt wurden. Es entstanden also im Os-ten des Bahnhofs drei dreigeschossige Wohnbauten, solide gemauert und verputzt auf Gra-nitsockeln, mit Satteldächern über schön verziertem Holzwerk. Gleichzeitig wurde das Hotel „Reifer“ gebaut – ein funktionstüchtiger Verkehrsknotenpunkt für Reisende, Fracht und Be-trieb war beispielhaft entstanden.

Als 1924 die Ausbaupläne der FS genehmigt wurden, kamen weitere Wohnblöcke entlang der Brennerstraße dazu. Sie wurden vom Architekten Angiolo Mazzoni entworfen und 1928 fertiggestellt. Abgerissen wurden damals im Zuge der Elektrifizierung der Brennerstrecke sowohl der Kohlenschuppen und die Wasserstation als auch der Lokschuppen, der an glei-cher Stelle durch einen gemauerten und verputzten Massivbau – ebenfalls für drei Geleise und Gruben – ersetzt wurde. Es handelt sich um einen klassischen, klar gegliederten Indust-riebau, der sein Gegenüber in dem ebenfalls massiv ausgeführten Lagergebäude erhielt, welches die hölzerne Magazinhalle an der Frachtrampe ersetzte. Damit ist der historische Bestand der architektonisch bemerkenswerten Gebäude beschrieben – die in der Nachkriegszeit errichteten Bauten sind in dieser Hinsicht ohne Bedeutung.





Kontakt

Ferrovia Statale FS - Direktion Region Bozen

39100 Bozen
Tel: 0039-0471-976077
Fax: 0039-0471-313786
Webseite: http://www.trenitalia.it


Meilensteine

K.K. Privilegierte Südbahn Gesellschaft (1862)
Bauzeit 1863 – 1867 von Innsbruck nach Bozen unter Karl von Etzel (gest. 1865) und Achilles Thommen, Wilhelm Pressel, Julius Lott und Wilhelm Hellwag. Fertigstellung 1867 und 1871. Heutige Eignerin: Italienische Staatsbahn FS (seit 1919 für die Strecke ab Brenner).

Architekt: Wilhelm von Flattich
Wilhelm von Flattich (1826-1900), Hochbaudirektor der K.K Privilegierten Süd-bahngesellschaft. Mitarbeit: Arch. Franz Wilhelm.



Fotogalerie

imgDHtpya.jpgBahnhof Franzensfeste
Der schönste Bahnhof aus Holz in Südtirol.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgYAwxtb.jpgBahnhof Franzensfeste, Straßenansicht
Der ZUgang zum \"Vestibul\" vom Bahnhofsplatz.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
img5CYU2s.jpgBahnhof Franzensfeste, Lokdepot
Lokomotivdepot von 1927 - ein klassischer Hallenbau.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004
imgnrQyBh.jpgBahnhof Franzensfeste, Wartehalle
Die schön detaillierte offene Wartehalle mit unsensiblem neuen Einbau.
AutorIn/Copyright:Andreas Gottlieb Hempel, Brixen 2004


Literatur

Bahnhof Franzensfeste
Informationen und Zitate aus:
Wilhelm von FLATTICH ?Der Eisenbahn-Hochbau in seiner Durchführung auf den Linien der K.K. Priv. Südbahn-Gesellschaft? Wien, Lehmann&Wenzel, ohne Datum.
Elisabeth BAUMGARTNER ?Kleinodien alt-österreichischer Eisenbahnarchitektur: Die Hoch-bauten der Brennerbahn?; Fotos Walter NIEDERMAYER, in Christoph BERTSCH (Hrsg) ?In-dustriearchäologie, Nord-, Ost-, Südtirol und Vorarlberg?, Innsbruck, Haymon Verlag 1992, S. 49-77.
Elisabeth BAUMGARTNER; ?Eisenbahnlandschaft Alt-Tirol?, Innsbruck, Haymon, 1990.
Gerhard und Josef DULTINGER, ?Die Brennerbahn, Gestern ? heute ? morgen?, Thaur/Tirol, Wort und Welt Verlag, 2. Auflage: 1989
Laura Facchinelli ?Die Eisenbahn Verona-Brenner? Athesia Bozen 1995
MART Quaderni di architettura ?Angiolo Mazzoni ? Architetto Ingeniere del Ministero delle Communicazioni? Skira Editore, Milano 2003.
Wittfrieda MITTERER ?Zeitzeichen der Technik? Edizione Raetia, Bozen 1993.

Siehe auch:
Günther ENNEMOSER, ?La storia di Colle Isarco con particolari riguardi agli anni 1850 ? 1914, tesi di laurea?, Padova, 1974/75.
Günther ENNEMOSER; Südtiroler Gebietsführer, Nr.39, Bozen, Athesia Druck, 1984.
Alois TRENKWALDER, ?Brenner ? Brennero, Gemeinde?, Gemeinde Brenner-Gossensass (Hrsg.) 1999.
Hans-Jürgen und Carl ROSENBERGER ?Die Eisenbahnen in Südtirol? Athesia; 1993.

Auskunftspersonen:
Radames PANDINI, Bauabteilung der FS, Bahnhof Bozen, Planarchiv.
Rudi PLANK Vorsitzender des Eisenbahner-Freizeitvereins Dopolavoro FS, Bahnhof Ster-zing
Dr. Johann WILD, Bürgermeister der Gemeinde Franzensfeste.
Erscheinungdatum: 00-00-0000